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Gerangel um Steuersätze und Glaubwürdigkeit

Dividenden, Körperschaften, Beteiligungsverkäufe: Bundesfinanzminister Hans Eichel und die Union sind gar nicht so weit auseinander

BERLIN taz ■ Klar ist, dass die große Steuerreform kommt. Unklar ist, wie sie aussehen wird, wenn sich Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) morgen im Bundesrat nicht durchsetzt und in einem zweiten Vermittlungsverfahren mit der Union verhandeln muss. Deren zentrale Forderung, alle Steuerzahler –also Kapitalgesellschaften wie AGs und GmbHs, Personengesellschaften wie GbRs und Selbstständige sowie Arbeitnehmer – gleich zu behandeln, ist im Schlagabtausch der letzten Wochen in den Hintergrund gerückt. Hängen geblieben ist der Eindruck: Die CDU blockiert. Vergleicht man aber das Konzept der „Steuerreform für mehr Wachstum und Beschäftigung“, das die Union im vergangenen Jahr eingebracht hat, mit dem letzten korrigierten Entwurf Eichels, unterscheiden sich diese nur noch in vier Punkten.

Spitzensteuersatz: Bei der Einkommenssteuer, die maßgeblich ist für Arbeitnehmer und Personengesellschaften, sind sich Bundesregierung und Union einig, den Eingangssteuersatz auf 15 Prozent zu reduzieren. Differenzen gibt es aber beim Höchststeuersatz, den die Union in ihrem Konzept mit 35 Prozent veranschlagt hat, 8 Prozentpunkte niedriger, als Eichel zu gehen bereit ist.

Körperschaftssteuer: Eichel will den Körperschaftssteuersatz für Kapitalgesellschaften, also AGs und GmbHs, von 40 und 30 Prozent für einbehaltene wie ausgeschüttete Gewinne auf 25 Prozent vereinheitlichen. Die Union möchte die alte Trennung beibehalten und den Satz für einbehaltene Gewinne nur auf 30 Prozent senken.

Damit hängt die Dividendenbesteuerung zusammen, bei der sich beide Parteien in den vergangenen Wochen absolut starr gezeigt hatten. Bislang gilt das Anrechnungsverfahren: Das Unternehmen zahlt 30 Prozent Körperschaftssteuer auf ausgeschüttete Gewinne. Weil der Aktionär diese Dividende nun aber auch noch mit seinem persönlichen Einkommenssteuersatz versteuern muss, sofern sie den Sparerfreibetrag übersteigt, würde der Gewinn doppelt besteuert. Deshalb bekommt der Aktionäre eine Gutschrift über die vom Unternehmen gezahlte Steuer. Steuerausländer können mit dieser Gutschrift nichts anfangen. Bei Eichels Halbeinkünfteverfahren zahlt das Unternehmen 25 Prozent Körperschaftssteuer, Aktionäre bekommen keine Gutschrift, zahlen aber auch nur für die Hälfte der Dividende einen persönlichen Steuersatz. Das Deutsche Aktieninstitut hat durchgerechnet, dass die Eichel-Variante Anleger benachteiligt, die weniger als 40 Prozent Steuern zahlen. Dafür kennt das Verfahren keine Diskriminierung von ausländischen Aktionären. Und: Es bringt Eichel Steuermehreinnahmen von rund 5 Milliarden Mark.

Beteiligungsverkäufe: Kapitalgesellschaften sollen Beteiligungen an anderen AGs oder GmbHs steuerfrei verkaufen dürfen, während Personengesellschaften und Private entsprechende Gewinne voll versteuern müssen. Die Union stellt sich eine „Steuerbegünstigung“ vor.

Die Auseinandersetzungen der letzten Wochen haben gezeigt, dass die Union nicht alle Forderungen mit gleichem Nachdruck verfolgt. Auch wenn sie sich als Kämpferin für den Mittelstand profilieren will, ist sie doch gerade bei den Vorschlägen vorsichtig geworden, mit denen sie eigentlich gegen die Ungleichbehandlung von Konzernen und Personengesellschaften vorgehen wollte, also bei solchen, die eine gewisse Steuerungsfunktion haben sollten. Vehement kämpft die Union dagegen an den Fronten, wo es darum geht, das Entlastungsvolumen für die Steuerzahler insgesamt zu vergrößern: beim Systemwechsel und dem Spitzensteuersatz. Die Auseinandersetzung um den Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren scheinen sie dabei vor allem genutzt zu haben, um eine starre Konfrontation aufzubauen und die erste Vermittlungsrunde scheitern zu lassen. Schließlich ist er für Eichel schlicht ein Teil der Gegenfinanzierung. Inhaltlich ist die System- eine Glaubensfrage. Nach außen ist sie schwer zu vermitteln. So hat der Chef der Bayerischen Staatskanzlei, Erwin Huber, gestern angedeutet, dass der Streit überwunden werden könnte. So könnte dann doch der Spitzensteuersatz zum ausschlaggebenden Kriterium werden. Hier müsste die Union für ihre eigene Glaubwürdigkeit rund 40 Prozent erreichen, um ihrer Forderung, Kapital- und Personengesellschaften steuerlich gleich zu behandeln, nachzukommen. Inklusive Gewerbesteuer dürfte der durchschnittliche nominale Steuersatz bei Kapitalgesellschaften sich bei rund 37 Prozent einpendeln. BEATE WILLMS

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