Geplatztes Rüstungsgeschäft: Bundesregierung attackiert USA
Nach Ärger mit dem Militärtransporter A400M ist dem Rüstungskonzern EADS nun auch ein US-Großauftrag entgangen. Wirtschaftsminister Brüderle reagiert gereizt.
Es gab schon schönere Tage für den europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS: Auf der Bilanzpressekonferenz in Paris für das Geschäftsjahr 2009 musste Vorstandschef Louis René Fernand Gallois einen Verlust in Höhe von 763 Millionen Euro vermelden. Er ist vor allem der Kostenexplosion und den damit verbundenen Verzögerungen beim Bau des europäischen Militärtransporters Airbus A400M geschuldet. Und in den Vereinigten Staaten platzte zeitgleich der von EADS avisierte Jahrhundertdeal mit der US-Luftwaffe.
Im Kampf mit dem US-Konkurrenten Boeing um einen 35 Milliarden Euro schweren Auftrag für den Bau von insgesamt 179 Tankflugzeugen für die Airforce zog EADS - angeblich wegen "unfairer Wettbewerbsbedingungen" - sein Angebot überraschend zurück. Gallois folgte damit einer Empfehlung seines Kollegen Wes Bush. Bush steht dem US-Unternehmen Northrop Grumman vor, das sich zusammen mit EADS in Washington bis zuletzt darum bemüht hatte, den Regierungsauftrag zu bekommen. Die neue Ausschreibung für den Großauftrag sei, so meint Bush, "auf den kleineren und weniger leistungsfähigen Flieger von Boeing zugeschnitten" worden, so dass das Konsortium EADS/Northorp Grumman keine Chance mehr gehabt habe.
Dabei hatte die europäisch- US-amerikanische Liaison mit ihrem sehr viel größeren und dem Modell von Boeing auch technisch überlegenen Tankflugzeug KC-45 den Auftrag schon Mitte 2009 vermeintlich sicher in der Tasche. Der Rechnungshof des US-Kongresses (GAO) protestierte in diesem Finanzkrisenjahr dann allerdings gegen die Vergabe eines Auftrags für ein Flugzeug der US-Luftwaffe an ein europäisches Unternehmen, wohl nicht zuletzt auch wegen der zahlreichen Interventionen der Lobbyisten von Boeing in Washington.
Die Entscheidung der Militärs im Pentagon für EADS/Northrop Grumman jedenfalls wurde revidiert und der Auftrag neu ausgeschrieben. Verlierer seien jetzt allerdings nicht nur EADS und Northrop Grumman, sondern auch die US-Airforce, die nun mit dem KC-767 von Boeing "die zweitbeste Lösung" bestellen müsse, stichelte Thomas Enders, Chef der EADS-Tochtergesellschaft Airbus. Diese sollte das dem Airbus A330 ähnelnde Tankflugzeug KC-45 in einem noch zu errichtenden Werk in den Staaten einmal bauen. Und Enders glaubt auch zu wissen, dass es den Politikern dort "längst nicht mehr um das beste Tankflugzeug und auch nicht um einen fairen Wettbewerb gegangen ist".
Tatsächlich hatte das europäische Tankflugzeug zuvor in fünf Staaten - wie zunächst ja auch in den USA - im direkten Vergleich mit dem US-amerikanischen Konkurrenzprodukt die Nase vorne gehabt.
Auch in den Staaten hat es nicht allen gefallen, dass Boeing Einsicht in die Bewerbungsunterlagen von EADS/Northrop Grumman erhalten hat und sein eigenes Angebot deshalb entsprechend nachbessern konnte. Der Gouverneur von Alabama etwa, Bob Riley, sprach von einer "Farce" und davon, dass Northop Grumman - das in Alabama ansässige Unternehmen sollte die militärischen Komponenten in den Airbus-Tanker einbauen - "keine Chance gehabt" habe. Der Traum von tausenden neuen Arbeitsplätzen im strukturschwachen Süden der USA sei nun geplatzt.
Auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) echauffierte sich. Bei der Beschaffung auch von Rüstungsgütern sollte "der freie Wettbewerb nicht einseitig eingeschränkt werden", sagte der Minister mit Blick auf die Vereinigten Staaten - als wären der deutschen Bundesregierung protektionistische Anwandlungen völlig fremd.
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