: Gepflegter Diskurs
Es wäre schade, wenn uns das entgangen wäre: Die Rolle der Ethik aus Sicht eines schleswig-holsteinischen Pfeifenrauchers ■ Von Peter Ahrens
„Schade, dass Sie nicht zu unserer Veranstaltung kommen konnten, aber der vorweihnachtliche Terminstress nimmt ja allenthalben zu.“ Wohl wahr, es war ausschließlich der vorweihnachtliche Terminstress, die uns abhielt, die Veranstaltung mit dem verheißungsvollen Titel „Verstehen und Verständigung – Die Rolle der Ethik im Austausch der Kulturen: Podiumsdiskussion im Strandhotel Strande bei Kiel“ zu besuchen.
Gut, dass die veranstaltende Unternehmensberatung Bickmann und Kollegen uns per ausführlicher Pressemappe über den erfolgreichen Verlauf des Abends informierte, mit der damit verbundenen hoffenden Freude, „wenn auf diesem Wege doch noch ein Veranstaltungsbericht zustande käme“. Den Gefallen tun wir gern. Es ist doch herrlich so: Wir müssen unsere gut geheizten Redaktionsräume gar nicht mehr verlassen und bekommen anschließend die Berichterstattung frei Haus geliefert. Das ist effizient und spart Kosten. Und das wollen wir doch alle.
Also: Im Strandhotel Strande bei Kiel trug es sich zu, dass Björn Engholm, passionierter Nachdenker und sympathischer Pfeifenraucher, Dr. Klaus „Kosten runter“ Murmann, bewährter Streiter gegen die Tarifbindung und Vorsitzender des Vorstandes der Sauer-Sundstrand-Gruppe Neumünster, übrigens auch stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der Parion Finanzholding Köln (wenn wir die Pressemitteilung nicht hätten, das hätten wir alles selbst recherchieren müssen, oh, weia), Frau Dr. Annette Kleinfeld, lange tätig „in den Bereichen Human Resource Management, Unternehmenskultur und Corporate Identity“ (Pressemitteilung, Seite 14) und Roland U. Bickmann, Autor der bekannten Werke „Der Kunde sitzt nebenan“ (Best book laut Markt und Mittelstand 1/99) und „Ein Tag wie jeder andere“ (rororo Taschenbuch) sich zum gepflegten Diskurs trafen.
Engholm eröffnet vor „70 interessierten Gästen“ mit dem launigen Bonmot „Wer nicht mehr naiv ist, ist für das Leben verloren.“ Kleinfeldt setzt einen drauf: „Sogenannte Business-Ethics-Initiativen als orgininär amerikanischer Trend finden in Form von Ethik-Kodizes, Ethik-Programmen und Ethik-Audits auch in Deutschland zunehmend Beachtung.“ Murmann lässt sich nicht lumpen und kontert: „Der weitgehende gesellschaftliche Konsens in Sachen Moral, Verantwortung und Politik in Deutschland wird sich längerfristig nicht nur in den Unternehmen durchsetzen, sondern sich gar zunehmend als Wettbewerbsvorteil erweisen“.
Bickmann gießt zwar Essig in den Wein mit der provokanten Bemerkung: „Der Verhaltensunterschied zwischen einem mittelständischen, persönlich haftenden Gesellschafter und einem Raffzahn-Manager mit Zeitvertrag innerhalb einer Aktiengesellschaft ist enorm.“ Doch Engholm, den das nicht ruhen läßt, rückt zurecht mit dem Satz: „Der Zeitverzug ist schwer nachvollziehbar, liegen doch die Wurzeln dieser Bewegung bei den deutschen Ethikern Kant, Jonas und Weber.“ Es mag sein, dass der Abend anschließend in einem großen Besäufnis endete – das wissen wir aber nicht. Darüber gibt die Pressemappe keine Auskunft.
Vom Strandhotel in Strande bei Kiel ging im Dezember 1999 ein neues Denken aus.
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