Georgischer Machtkampf: Mysteriöser Tod eines Strippenziehers
Hat Georgiens Präsident seinen Ex-Verteidigungsminister zum Mord a Oppositionsführer Patarkaschwili angestiftet? Ein Anschlag ihn wurde vor den Wahlen angekündigt. Jetzt ist er tatsächlich tot.
Sein Tod sei verdächtig, erklärte die Londoner Polizei Mittwoch Vormittag. In der Nacht zuvor war der georgische Oppositionsführer Arkadi Patarkatsischwili in London gestorben, angeblich an einem Herzinfarkt. Er wurde nur 52 Jahre alt. Der aus einem jüdischen Elternhaus stammende Patarkatsischwili war einer der reichsten Männer Georgiens. Er war Mitinhaber des größten regierungskritischen Fernsehsenders Georgiens, Imedi TV.
Deshalb, so behauptete Georgiens ehemaliger Verteidigungsminister Irakli Okruaschwili im vergangenen September, habe Präsidenten Mikheil Saakaschwili ihn anstiften wollen, Patarkatsischwili zu ermorden. Er zog diese Anschuldigung später zurück. Bei den Wahlen am 5. Januar kam Patarkatsischwili mit 7,1 Prozent der Stimmen auf den dritten Platz. Er hatte Georgien im November verlassen und lebte seitdem in London und Israel. Den Wahlkampf führte er vom Ausland aus.
Sein plötzlicher Tod ist genauso undurchsichtig, wie es sein Leben war - und das der meisten Dissidenten der ehemaligen Sowjetunion in London. Patarkatsischwili wurde 2001 von der russischen Staatsanwaltschaft angeklagt, weil er versucht haben soll, den früheren stellvertretenden Generaldirektor der Fluglinie Aeroflot, den wegen Betrugs verurteilten Nikolai Gluschkow, aus dem Gefängnis zu befreien. Patarkatsischwilis Komplize soll Andrej Lugowoi gewesen sein, der nach Überzeugung der britischen Staatsanwaltschaft im November 2006 den russischen Dissidenten Alexander Litwinenko mit Polonium-210 in London vergiftet hat.
Im vergangenen Jahr häuften sich die Vorwürfe gegen Patarkatsischwili. Aus heimlichen Videoaufnahmen, die die georgische Staatsanwaltschaft Heiligabend veröffentlichte, geht hervor, dass er einen hochrangigen Beamten des Innenministeriums bestechen wollte, um sich dessen Unterstützung für einen Staatsstreich am Tag nach den Wahlen zu sichern.
Außerdem soll Patarkatsischwili laut einem Bericht des georgischen Fernsehsenders Rustavi 2 in mehrere Morde in Russland und Georgien verstrickt gewesen sein, darunter das Attentat auf den Journalisten Vlad Listjew im Jahr 1995. Das US-amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes bezeichnete damals Boris Beresowski, einen Mathematiker, der es nach dem Fall der Sowjetunion zu Reichtum brachte, als Hintermann des Mordes.
Beresowskis Name tauchte bisher bei jeder Räuberpistole um russische Dissidenten auf. Er hatte sich im Jahr 2000 mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zerstritten und war nach Großbritannien geflohen. Putin wirft ihm vor, den gewaltsamen Umsturz in Moskau zu planen.
Auch Patarkatsischwili hatte enge Verbindungen zu Beresowski. Er arbeitete im Jahr 1992 als stellvertretender Generaldirektor der Unternehmensgruppe LogoVAZ, drei Jahre später wurde er Finanzdirektor des Fernsehsenders ORT, und 2001 war er Generaldirektor des Senders TV6. Sämtliche Unternehmen gehören Beresowski.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!