: Georgien - Autonome Sowjetrepublik
■ Ein vorprogrammierter Konflikt / Beruhigungsprogramme durch die sowjetische Zentralregierung erweisen sich als nutzlos
Berlin (taz) - Abchasien an der östlichen Schwarzmeerküste gehört als „Autonome Sowjetrepublik“ zu Georgien. Seine Bevölkerung besteht zu 17 Prozent aus moslemisch -sunnitischen Abchasen, zu 44 Prozent aus christlich -orthodoxen Georgiern, zu 16 Prozent aus Russen. Der Rest sind vor allem Armenier und Aserbaidschaner. Die abchasische Sprache gehört wie das Awarische, das Tscherkessische, vor allem das Georgische zur „kaukasischen“ Sprachfamilie. Neben den Abchasen verfügen im Rahmen Georgiens auch die Adscharen, die moslemische Georgier sind, über eine „autonome Sowjetrepublik“ und die indo-iranischen moslemischen Osseten über ihr „Südossetisches Autonomes Gebiet“. Ein Schlüsseljahr für die jetzigen Konflikte ist 1978. Damals sollte in Georgien das Russische anstelle des Georgischen Staatssprache werden. Dagegen gab es riesige Demonstrationen, deren Forderungen vom damaligen georgischen Parteichef Schewardnadse, heute sowjetischer Außenminister, unterstützt wurden; das Georgische blieb Staatssprache. Inzwischen hat sich die Bewegung radikalisiert. Schon auf den Demonstrationen im September 1988, dann im Januar und Febraur diesen Jahres wurde der Ruf nach völliger Loslösung Georgiens aus der Sowjetunion immer lauter. Abchasien, das nach der Revolution selbst die Unabhängigkeit erstrebte, und 1921 den Status einer autonomen Republik erhielt, spielt in dem gegenwärtigen Konflikt eine Schlüsselrolle. 1978 hatte es in der abchasischen Hauptstadt Suchumi und an anderen Orten Demonstrationen gegen die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Vernachlässigung der Abchassen gegeben; schon damals wurde die Angliederung an die russiche Sowjetrepublik verlangt. Die Partei- und Staatsführungen der UdSSR und Georgiens hatten damals Programme zur Beruhigung der Situation eingeleitet. Unter anderem wurde eine abchisische Universaität geschaffen, abchasische Fernsehsendungen eingerichtet und abchasische Publikationstätikeiten ausgeweitet.
Die wechselseitigen Ressentiments waren aber nicht mehr zu beheben. In georgischen Samisdadpublikationen kursierte der Vorwurf, daß sich Georgier nicht mehr in Abchaisen ansiedeln durften, kein Grundstück zugeteilt bekämen und daß die georgische Sprache diskriminiert werde.
Erhard Stölting
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