Genuss: „Whisky macht, was er will“
Gerade mal volljährig, begann Alexander Buchholz mit dem Brennen von Single Malt Whisky – im Harz. Von Kennern bekommt er inzwischen gute Noten.
taz: Herr Buchholz, Sie sind mit 17 Jahren auf die Idee gekommen, Whisky zu brennen. Ist in dem Alter, gerade in ländlichen Gegenden, der perfekte Whisky-Cola-Mix nicht viel interessanter?
Alexander Buchholz: Das hat mich Gott sei Dank nie gereizt. Klassenkameraden von mir haben sich solche absurden Mischungen reingeknallt. Ich bin da eher bei Bier geblieben, wenn ich mich betrinken wollte. Whisky ist für mich auch damals schon ein Genussmittel gewesen.
Und was führte vom Genießen zum Selbermachen?
Mein Vater hat mich damals gefragt, ob ich Lust habe, ins Unternehmen mit einzusteigen. Er stellte bereits seit den 1980er-Jahren Spirituosen her. Ich hatte Interesse, wollte mich aber erstmal vernünftig damit auseinandersetzen. Und dann habe ich mich damit beschäftigt, was für Spirituosen hier in den Harz passen könnten.
Das war ausgerechnet Whisky?
Alle Welt sagt, dass Kräuterlikör in den Harz passt. Ich sage, das ist totaler Schwachsinn! Der passt überhaupt nicht in den Harz. Das ist Blödsinn! Beim Kräuterlikör habe ich durchschnittlich 30 Inhaltsstoffe, 30 verschiedene Kräuter, von denen zwölf bis 15 gar nicht in Deutschland wachsen, geschweige denn im Harz. Das einzige Getränk, das mir eingefallen ist, das wirklich in die Region passt, ist Whisky.
Inwiefern?
Ich habe Holz, für Fässer beispielsweise, ich habe Getreide, also Gerste, die wächst hier überall, und ich habe verdammt gutes Wasser. Das sind die Inhaltsstoffe von Whisky. Außerdem: Wenn man hier im Oktober oder November durch die nebelverhangenen Täler fährt, sieht das schon aus, als könnte hier auch ein Whisky beheimatet sein.
Alexander Buchholz
30, Juniorchef der Spirituosenmanufaktur Hammerschmiede in Zarge, ist im Harz aufgewachsen und hat in Göttingen Wirtschaftswissenschaften studiert. Whisky brennt er, seit er 18 Jahre alt ist. Nach eigener Aussage kann sich sein "Glen Els" heute mit den großen Marken messen. Das sieht auch der britische Journalist und "Whisky-Papst" Jim Murray so: Er bewertete Buchholz "Glen Els Alrik Single Malt Whisky" mit 95 von 100 möglichen Punkten.
Weil es an Schottland erinnert?
Nein, nicht an Schottland, an Mystik: Whisky herstellen hat etwas Geheimnisvolles. Da sind Prozesse hinter, die man überhaupt nicht nachvollziehen kann. Zum Beispiel die Holzfassreifung.
Das Destillat wird mindestens drei Jahre lang in Holzfässern gelagert und nimmt währenddessen Aromastoffe aus dem Holz auf – beispielsweise vom Wein, der vorher im Fass gewesen ist.
Genau, das Fass prägt den Whisky ungefähr zu 70 Prozent. Aber wieso das wie reift, das weiß kein Mensch und das ist auch gut so. Das finde ich total spannend. Wenn ich nach ein paar Jahren ein neues Fass öffne, das ist Wahnsinn, was dann da an Aromen rauskommt, was man vielleicht vorher in seinem Leben noch nie gerochen hat. Man kann an tausend Hebeln während der Produktion herumdrehen. Und trotzdem macht der Whisky, was er will.
Ach ja?
Ich habe zwei Fässer, die aus derselben Produktion stammen, aus dem selben Baum gefertigt worden sind, am gleichen Tag mit dem gleichen Portwein befüllt wurden, am gleichen Tag geleert wurden, am gleichen Tag mit unserem Whisky befüllt worden sind. Und wenn man die aufmacht, dann schmecken die Whiskys trotzdem total unterschiedlich.
Ein erheblicher Teil des Whiskys verdunstet, der sogenannte „Angels’ Share“. Sie haben vor Kurzem ein Fass aufgemacht, in dem nur noch ein Drittel der ursprünglichen 100 Liter drin war. Tut das nicht auch ein bisschen weh?
Nee, das tut allerhöchstens weh, wenn man dann feststellt: „Das ist der geilste Whisky, den ich jemals rausgebracht habe.“ Dann tut das ein bisschen weh, weil man gern mehr davon hätte. Aber das gehört zur Herstellung, es gehört zum Prozess dazu. Der Whisky ist ja erst durch die Verdunstung so geworden, wie er jetzt ist.
Was hat eigentlich Ihr Vater dazu gesagt, dass Sie zwar ins Unternehmen einsteigen wollten, aber nicht wie er Liköre brennen?
Ja, das ist natürlich im ersten Moment eine Enttäuschung. Und er hat sich schon gefragt, ob Whisky nicht eher nach Schottland, Irland und die USA gehört. Und natürlich waren damit ja auch Kosten verbunden. Und wenn es schief läuft, dann hat man eben nur einen Doppelkorn gebrannt. Aber er ist auch ein Freigeist und so hat er am Ende gesagt: „Mach!“
Und dann sind Sie nach Schottland gefahren – einfach mal nachfragen?
Nein, das funktioniert nicht. Die interessieren sich nicht für Leute, die noch nichts machen. Ich habe erst mal einen Haufen Fachliteratur gelesen. Schottland habe ich zum ersten Mal 2008 gesehen. Da war ich schon sechs Jahre dabei.
Dann ist der erste Whisky sozusagen aus den Büchern geflossen?
Das kann man sagen und ich muss ehrlicherweise auch zugeben, dass man das schmeckt. Es ist so eine Art Lehrbuch-Whisky, der hat noch nicht so viel Persönlichkeit. Die kam erst so ab 2008 dazu. Da habe ich es einfach immer mehr laufen lassen, mich auf mein Bauchgefühl verlassen.
Wie haben Sie die schottischen Brenner erlebt?
Wenn man eine Weile dabei ist, dann ist auch der Kontakt mit den Leuten aus Schottland recht ungezwungen – wenn man nicht gerade mit den Konzernchefs redet, sondern mit den Leuten, die den Whisky herstellen. Das sind Charakterköpfe, die das seit Jahrzehnten machen, die da sozusagen reingeboren wurden. Wenn die auf Fachbesucher treffen, sind sie sehr aufgeschlossen.
Brennen nur Männer Whisky?
Das ist eine Frage, die ich nur mit einem „Ja – aber“ beantworten kann. Also: Ja – aber es drücken auch immer mehr Frauen in die Branche hinein, was ich ziemlich gut finde. Ein paar große Destillerien haben jetzt „Masterblenderinnen“ eingestellt, die stellen die Fässer für einen „Blend“ zusammen. Da geht es um ganz feine Aromen, weil man durch das Mischen verschiedener Whiskys versucht, immer wieder die gleiche Qualität und den gleichen Geschmack hinzubekommen. In großen Destillerien kombiniert man bis zu 2.000 Fässer miteinander. Das ist ein verdammt harter Job.
Whisky ist ein Getränk mit einer langen Tradition. Aber Whisky aus dem Harz, das hat eine gewisse Exotik, das ist neu. Wie ist das hier vor Ort angekommen?
Die Harzer Bevölkerung ist generell ein bisschen skeptisch. Außerdem sind wir in einer eher wirtschaftsschwachen Region zu Hause. Das bedeutet, dass natürlich viele auch erst mal sagen: „Wie könnt ihr für eine Flasche Schnaps 40 bis 150 Euro nehmen?“ Das ist unwahrscheinlich viel Geld für – im Prinzip – einen im Eichenfass gelagerten Doppelkorn. Whisky ist nicht so wichtig für die Leute gewesen und ist es auch heute noch nicht.
Woran merken Sie das?
Wir haben im Nachbarort unser altes Stammhaus. Da lagern Fässer, und jeder Whisky-Liebhaber würde einen um den Schlüssel beneiden. Für die Leute im Nachbarort liegt da „Fassgerümpel“ rum. Das sagen einem die Leute direkt auf der Straße: „Was habt ihr denn da für Fassgerümpel rumliegen. Das sieht doof aus, das sieht scheiße aus!“ Da sage ich dann: „Moment! Das ist alles gepflegt, das ist alles sauber geschichtet, das sieht alles ordentlich aus. Wo ist das Problem?“
Mittlerweile machen gefühlt jede Woche neue Whisky-Brennereien in Deutschland auf. Gibt es einen Deutsch-Whisky-Trend?
Auf jeden Fall. Der Markt ist total bekloppt geworden. Vor uns gab es in Deutschland noch zwei weitere Brennereien in Deutschland. Die erste ist die Blaue Maus, die wurde 1983 in der Nähe von Nürnberg von Robert Fleischmann gegründet. Und dann gab es Slyrs in Oberbayern, die 1999 angefangen haben. Die hatten noch kein Produkt am Markt, als wir mit unserem Whisky begonnen haben. Ich wusste auch gar nicht, dass die das machen. Und so waren wir weit und breit die Einzigen in ganz Norddeutschland, die Whisky machten. Heute sind es über 200 Betriebe, die sich in Deutschland mit dem Thema beschäftigen. Was in meinen Augen den Markt auch unüberschaubar macht. Aber wer jetzt noch nicht etabliert ist, der wird es schwer haben.
Warum versuchen es trotzdem noch so viele?
Viele wollen den Whisky benutzen, um mit wenig Aufwand viel Geld zu verdienen. Die brennen – egal aus welchem Getreide, Weizen, Roggen, was sie gerade vom lokalen Bauern bekommen – legen das Ganze in gebrauchte Rotweinfässer, die sie sich bei E-Bay für 50 Euro pro Stück kaufen, und wundern sich nach drei Jahren, wenn das Produkt nicht schmeckt. Und trotzdem wollen die dann den halben Liter noch für 50 bis 60 Euro verkaufen.
Klappt das denn?
Natürlich haben die dann durchaus einmal Erfolg. Der Markt ist derzeit so, dass er das aufsaugt wie ein Schwamm. Aber die Leute kaufen dieses Produkt von der Brennerei nie wieder nach.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!