: Gentechnik eint Regierungslager
Gentechnik-Entwurf steht: viele ungenügende Regelungen bei der Öffentlichkeitsbeteiligung ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski
Bundesregierung, unionsregierte Bundesländer und die Regierungskoalition CDU/CSU und FDP haben sich gestern auf einer Klausurtagung in Bad Neuenahr auf die endgültige Fassung eines Genttechnikgesetzes geeinigt. Damit sei sichergestellt, daß das umstrittene Gesetz vom Bundesrat am 11.Mai verabschiedet werden kann - zwei Tage vor der Niedersachen-Wahl, bei der die Unionsmehrheit im Bundesrat gekippt werden könnte. Bislang hatten auch unionsregierte Bundesländer ihre Unzufriedenheit mit dem Gesetzentwurf deutlich gemacht, der vor zehn Tagen in einer Sachverständigenanhörung des Bundestages vernichtende Kritiken erntete.
Die Bundesländer sollen nun die Genehmigungskompetenz sowohl für Forschungseinrichtungen als auch Produktionsanlagen erhalten. Bislang war vorgesehen, Forschungsvorhaben zentral auf Bundesebene zu genehmigen. Dies hatten die Länder als verfassungswidrig eingestuft. Außerdem soll das Gesetz für die Genehmigung der gesamten gentechnischen Anlage gelten und nicht nur für gentechnische Arbeiten, wie es im Entwurf bisher hieß. Diese Regelung war sowohl von Industrie als auch Umweltschutzverbänden abgelehnt worden. Der Bund soll zuständig bleiben beim „Inverkehrbringen“ und Freisetzen gentechnisch veränderter Organismen und Produkte. Welche Interessenlage die Bundesregierung treibt, verdeutlichte der teilnehmende Staatssekretär Pfeifer: eine „baldige Verabschiedung ist wichtiger als der Kompetenzstreit“.
Nach Kritik in der Sachverständigenanhörung will die Bundesregierung auch die Gefährdungshaftung verbessern. Wegfallen soll der Haftungsausschluß bei „höherer Gewalt“. Die geplante Haftungsobergrenze von 160 Millionen Mark wird von Umweltverbänden als ungenügend eingeschätzt. Schmerzensgelder sind nicht vorgesehen. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung am Genehmigungsverfahren soll es nur in den Gefährdungsklassen zwei bis vier geben; für Gefährdungsstufe eins nur dann, wenn es nach dem Bundesimmisionschutzgesetz notwendig sein sollte. Dieses prüft aber nur die zur Produktion eventuell notwendigen giftigen Arbeitsstoffe, nicht die gentechnische Anlage selbst. Beibehalten wird offenbar der kritisierte Rechtsanspruch auf eine Genehmigung in Stufe eins, in der die meisten Produktionsanlagen angesiedelt sind.
Ungenügend geregelt bleiben auch Freisetzungsversuche: Die Öffentlichkeit soll am Genehmigungsverfahren nur beteiligt sein, wenn eine Gefährdung der Bevölkerung durch die gentechnisch manipulierten Pflanzen, Tiere und Viren nicht ausgeschlossen werden kann. Was gefährlich ist, darüber entscheidet allerdings die zentrale Kommission ZKBS, der fast ausschließlich Gen-Lobbyisten aus Forschung und Industrie angehören. Bundesregierung, Parlamentarier und Ländervertreter verständigten sich darauf, die „wesentlichen“ (Fellner/CSU) der 28 „Leerstellen“ im Gesetzentwurf bereits vor der Verabschiedung zu formulieren. Die geplante nachträgliche Ausfüllung durch Rechtsverordnungen war als verfassungswidrig bemängelt worden.
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