: Genschman an die Schulen
■ Wie die Berliner FDP zum Sprung ins Gedächtnis der JungwählerInnen ansetzt
Zwei Dinge fürchtet ein gestandener FDPler: die Fünf-Prozent -Hürde und das schlechte Gedächtnis des Volkes. In beiden Fällen ist die Angst berechtigt - schlimmer noch: oft bedingt das eine das andere. Stockt die Infas -Hochrechnungssäule bei 3,9 Prozent wie jüngst im Januar 1989, verblaßt nicht nur das Image, sondern auch der Wiedererkennungswert. Und wer nicht wiedererkannt wird, wird auch nicht wiedergewählt - schöne Aussichten für Gesamtberliner Wahlen. Das muß sich auch Susanne Thaler, Mitglied des FDP-Landesvorstandes gedacht haben, als sie in einem Brief an Schulsenatorin Volkholz zu ihrem Bedauern feststellte, daß seit dem Abgang aus dem Abgeordnetenhaus „Vertreter der FDP zu schulischen Veranstaltungen mit anderen Parteienvertretern in der Regel nicht mehr eingeladen werden“. Jetzt soll die Schulsenatorin helfen und per Rundschreiben doch bitte die Schulen darauf hinweisen, daß die FDP nach wie vor im Bundestag und in einer BVV Berlins sitze. „Wir versprechen uns von einer Teilnahme der FDP wie früher eine Belebung der Diskussion in der Schule.“
An belebenden Maßnahmen ist die Schulverwaltung immer interessiert, aber offensichtlich konnte sie nach eingehender Prüfung an der FDP nichts Vitalisierendes finden. Zwar zeigte Pressesprecher Stefan Woll Verständnis für die Notlage der „Liberalallas“. Er mußte zu seinem eigenen Bedauern jedoch Frau Thaler davon in Kenntnis setzen, daß Senatsverwaltungen Rundschreiben solchen Inhalts schlicht zu unterlassen haben. Viel wäre ihm zur Pünktchenpartei ohnehin nicht eingefallen. „Ein solches Rundschreiben“, so Woll, „würde die Magerstufe kaum übersteigen.“ Vor dem Abstieg in die Infas-Rubrik „sonstige Parteien“ kann die FDP jetzt nur noch ein radikaler Schritt bewahren: kostenlose Verteilung von „Genschman„-Trikots an allen Schulen - das wirkt tausendmal belebender als Hermann Oxfort auf dem Podium.
anb
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