Genossen machen die taz: Deutsche Pflege für den Nazi-Opa
Alte Menschen mit rechten Ansichten stellen Pflegende vor einige Herausforderungen. Ob sich die Nazis eine eigene Infrastruktur aufbauen, wird sich zeigen.
BERLIN taz | Die Debatte um zu pflegende Nazi-Opas und -Omas könnte sich an einem Diktum des Kabarettisten Matthias Beltz orientieren: „Jeder Mensch hat das Recht, ein Arschloch zu sein.“ In der Geno-taz-Redaktionskonferenz zum Thema „Wer pflegt meinen Nazi-Opa?“ folgte das antifaschistische Statement auf dem Fuße: „Ich pflege keinen Nazi und will keine Weltkriegsgeschichten hören.“ Auch die zu Pflegenden haben spezielle – rassistische – Vorstellungen: Alte Nazis wollen sich nicht von „Schwarzen oder Ausländerinnen den Arsch abputzen lassen“.
Die Realität ist allerdings weniger spektakulär: Viele überzeugte Wehrmachtssoldaten und alte Nazis haben sich von „vaterlandslosen Drückebergern“ (vulgo: Zivildienstleistende) pflegen lassen. Die Zivis haben dabei unterschiedlich reagiert: Dagegengehalten, die „Alten einfach brabbeln lassen“, im schlechtesten Fall haben sie fasziniert zugehört.
Schwieriger wird es in vielen ambulanten und stationären Pflegediensten, in denen die Leitung gefordert ist, rassistische und diskriminierende Äußerungen (nicht nur) von Nazis zu untersagen und für einen respektvollen Umgang zu sorgen: Die Regeln für den sozialen Umgang gelten schlicht für alle.
Spannend wird zu beobachten sein, ob sich die Nazis eine eigene Infrastruktur aufbauen: ob sich Netzwerke und UnterstützerInnen im rechten Milieu aufopferungsvoll um ihre Führer kümmern und so ein rechtes Netz von Pflegeeinrichtungen entsteht. Analog zu der Debatte über Verbot und Finanzierung der NPD muss genau hingeguckt und überprüft werden, ob hier Mittel öffentlicher Kassen jenseits der Pflege zweckentfremdet zur Unterstützung rechter Strukturen eingesetzt werden.
54, Diplompädagoge aus Bad Vilbel in Hessen, taz-Genosse seit 1991.
Der beklemmenden Aussicht auf rechte Pflegeeinrichtungen und -dienste, in denen „deutsche Mädels deutsche Männer“ pflegen, kann nur durch eine vielfältig ausdifferenzierte und gut finanzierte Pflegelandschaft aus Seniorenheimen, ambulanten Pflegediensten und genossenschaftlich organisierten, sorgenden Wohnformen und sonstigen Lebensgemeinschaften begegnet werden.
Das Zulassen von Schwäche und Gebrechlichkeit ist ein starkes Gegenbild zur „Herrenrasse“, die „flink wie ein Windhund, hart wie Kruppstahl und zäh wie Leder“ sein soll. Die Hoffnung, dass Nazis ihre menschenverachtende Ideologie zu ihrem Leitbild machen und den Löffel abgeben, bevor sie „degeneriert der deutschen Volksgemeinschaft zur Last fallen“, können wir getrost aufgeben.
Dies ist ein Text aus der Sonderausgabe „Genossen-taz“, die am 14. April erscheint. Die komplette Ausgabe bekommen Sie zusammen mit der aktuellen taz am Samstag an ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de.
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