Genforschungsergebnis angezweifelt: Krebsresistente Mäuse als PR-Gag
Eine amerikanische Universität brüstet sich damit, krebsresistente Mäuse entwickelt zu haben. "Das ist blanker Unsinn", sagen Krebsexperten.
In Kentucky, USA, gibt es traditionell den Anbau von Tabak, Mais, Baumwolle - und die Pferdezucht. Dabei ist das Land erst seit 1765 besiedelt. Da hatten andere, etwa in Europa, schon ihre Universitäten. Wie die Heidelberger. Aus Heidelberg kommt auch Kritik an einer seltsamen, doch PR-trächtigen Meldung: Forscher vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) konnten sich vor Lachen kaum halten, als in der Zeitschrift Cancer Research verkündet wurde, an der University of Kentucky habe man mittels Gentechnik Mäuse "kreiert", die gegen Krebs resistent seien.
"Ich halte das für kompletten Unsinn", sagt Martin Schwab, Krebsgenetiker am DKFZ, klipp und klar. Denn: "Der Mensch hat um die 30.000 Gene, die Maus auch, und da kann man sich immer irgendein Gen aussuchen und so lange herumprobieren, bis man ein scheinbares Ergebnis hat."
"Proof of principle" nennt sich die Methode, bei der man die fehlgeschlagenen Teile eines Experiments oder auch besondere Umstände seiner Durchführung einfach verschweigt. In Kentucky pickte man sich für das wenig lautere Spielchen das sogenannte Par-4-Gen heraus. Die Forscher unter Leitung von Vivek Rangnekar wollen dieses Gen zunächst in der Prostata mancher Mäuse gefunden haben. Diese Tiere würden, so ihr Bericht, keine Tumore entwickeln und deutlich länger leben als die Tiere der Kontrollgruppe.
Und: Man könne das Gen in die Eizellen anderer Mäuse transplantieren und in eine "Ersatzmutter" einsetzen, dann würden deren Nachkommen resistent gegen Krebs. Das sei nun erprobt und nebenwirkungsfrei. Daher könne man in Zukunft wohl auch Menschen mit dem Par-4-Gen beglücken: Via Knochenmarksoperation soll es ihnen eingepflanzt werden.
Ob und wie das Gen vom Rückenmark ins Erbgut kommen soll, bleibt unklar. Auch dass es viele verschiedene Krebsarten gibt, wird in der Studie überhaupt nicht berücksichtigt. Stattdessen "vermuten" die vermeintlichen Krebspioniere, dass man Menschen gegen Krebs schlechthin immunisieren könne, da das Par-4-Gen gezielt Krebszellen "abtöte".
Martin Schwab, der selbst jahrelang in den USA arbeitete, ahnt, wieso die Kollegen in Übersee derart fahrlässig hochstapeln: "Man will sich gut verkaufen." Der Druck in den USA, von sich reden zu machen und mit Sensationen aufzuwarten, sei auch in der Forschung besonders groß.
Besonders raffiniert im Fall von Kentucky: Das Heilsversprechen bezieht sich auf die so genannte Keimbahntherapie, bei der die Konstitution der Nachkommen, also der Kinder und Kindeskinder, beeinflusst wird. Somit ist es besonders geeignet, eine naiv-gutgläubige, an ihrer "genetischen Verbesserung" interessierte Kundschaft anzulocken: Jedes etwaige schlechte Gewissen gegenüber der eigenen Nachkommenschaft - zum Beispiel wegen eines ungesunden Lebensstils oder wegen ungesunder Ernährung - soll damit vordergründig beruhigt werden. Dabei sind Keimbahntherapien nicht nur weltweit geächtet, sondern laut Schwab auch nur mit einem Wort treffend zu benennen: "Das ist Pfusch."
Der Grund: "Gentransplantationen funktionieren ohnehin nicht zuverlässig. Verändert man die DNA von 50 Mäusen, erhält man im Grunde 50 verschiedene Ergebnisse." Die Keimbahn betreffend, seien die Vorgänge noch schwieriger zu kontrollieren: "Diese ganze Problematik ist sehr komplex."
Und auch das berühmt-berüchtigte simple "Abschalten von Genen", das immer mal wieder durch die Presse geistert, ist laut Schwab nicht so einfach: "Nicht mal in Zellkulturen klappt das wirklich. Es kann sogar tumorauslösend sein." Das liegt laut Schwab an sogenannten Sollbruchstellen der Chromosomen, die an diesen Stellen eine besondere Neigung zum Brechen haben: "Bei Eingriffen wird die genetische Information dort beschädigt, und die Erneuerung der Zellen ist gestört. Die entstehende Mutation kann Krebs auslösen."
Im Rahmen der Evolution haben Sollbruchstellen durchaus ihren Sinn: Beim Zufallsprinzip der Variationen sorgen sie dafür, dass es stetige Veränderungen gibt, und nicht alle sind krankhaft. Doch Schwab weiß: "Bei Stress und Umweltgiften, bei Waldbränden, aber auch durch Zigarettenrauch kommt es zu schädlichen Mutationen." Ob die Mäuse der Vergleichsgruppen in Kentucky nun solcherart vorgeschädigt waren - wer weiß.
Nur eines haben die selbst erkorenen Mausmacher aus den USA ganz sicher geschafft: von sich reden zu machen. Wenn auch nicht nur in der gewünschten Weise.
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