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Generationendebatte unter FeministinnenVon Frau zu Frau

Der Schlagabtausch zwischen Alice Schwarzer und den "Alphamädchen" kommt nicht aus ohne Beleidigungen - doch hinter ihm stecken ernsthafte Fragen.

Jana Hensel und Elisabeth Räther: zwei "Alphamädchen". Bild: frank wegner

So ein symbolischer Muttermord hat seine Tücken. Vor allem, wenn die Mutter Alice Schwarzer heißt. Die nämlich ist trotz diverser Mordanschläge quicklebendig und haut nach Kräften zurück. Nun bekommen also die Alphamädchen Dresche, die sich zumeist in irgendeiner Form von Schwarzer abgegrenzt haben: Als der derart Gekränkten vergangenen Sonntag der Börne-Preis verleihen wurde, legte sie in ihrer Dankesrede los: Die "späten Mädchen" einer "medial lancierten Girlie-Welle" trügen zur "Verluderung des Feminismus" bei, weil sie für "Fair Trade Puffs" und Pornografie seien und nur noch "Wellness-Feminismus" zustande brächten. Sie stellte klar: "Ich habe nicht die geringste Absicht, diese Art neudeutscher Mädchen zu vertreten."

Und die Töchter: schreiben zurück. Zum Teil wiederum beleidigt und beleidigend. So berufen sich die Autorinnen der "Neuen deutschen Mädchen", Jana Hensel und Elisabeth Räther (auf sueddeutsche.de) auf einen saublöden Vergleich Harald Schmidts: Mit Schwarzer sei es wie mit Beckenbauer: "Wir werden nie vergessen, dass sie den Feminismus nach Deutschland geholt hat, aber aus dem Tagesgeschäft soll sie sich bitte heraushalten." Da haben wir ihn, den symbolischen Muttermord. Pikanterweise vorexerziert von einem Mann.

Die Autorinnen von "Wir Alphamädchen" dagegen versuchen in der Süddeutschen Zeitung vom 7. Mai zu argumentieren: Feminismus heute heiße eben auch Pornorap von Lady Bitch Ray, Feuchtgebietsexkursionen von Charlotte Roche und ja, auch Wellness-Feminismus: Schließlich wollten sie sich wohl fühlen in der Gesellschaft. Wofür die Mädchen am Donnerstag ebenfalls in der SZ gleich wieder eins auf den Deckel bekamen, diesmal von einer Generationsgenossin: Das sei kein ordentlicher Feminismus.

So weit, so anstrengend. Doch hinter dem leicht idiotisch anmutenden Streit, wer die richtigere Feministin ist, stecken ernsthafte Themen, die mit Generationen nur bedingt zu tun haben: Schwarzer ist immer Radikalfeministin geblieben, in der Tradition von Kate Millett, Catherine MacKinnon und Andrea Dworkin. Für die ist männliche Gewalt das Konstituens unserer Gesellschaft, quasi überhistorisch und ubiquitär. In dieser Lesart sind Frauen per se immer die Opfer. Das aber ist eine Auffassung, die auch viele Feministinnen aus Schwarzers Generation schon lange kritisieren.

Für die nachfolgenden Generation ist sie noch weniger nachvollziehbar, weil diese schon einige Siege im Geschlechterkampf erlebt haben. Sie fragen also eher pragmatisch, was zu tun bleibt. Das Tremolo des ewigen Opfers ist verschwunden, weil die Opfer sich in vielen Lebenslagen ganz gut helfen können. Sie definieren sich nun einen neuen Feminismus zurecht. So what?, möchte man sagen: Es ist schließlich noch genug Patriarchat für alle da.

Dass sich diese Differenzen nun teilweise als Generationenkonflikt arrangieren, muss tatsächlich auch etwas mit einem symbolischen Muttermord zu tun haben, einem verschärften Abgrenzungsbedürfnis gegen die Müttergeneration. Was einen bei diesen Ritualen à la Hensel allerdings schaudern lässt, ist die Ignoranz, mit der patriarchale Klischees über die alte Frauenbewegung übernommen werden. An solchen Stellen wird deutlich: Da konkurrieren eben auch junge Frauen gegen ältere - im Bewusstsein, dass der sexy Jugend eben die Aufmerksamkeit des männlichen Blicks sicher ist.

Interessant daran: Nun werden also auch unter Frauenhorden Muttermorde begangen, so wie in Männerhorden schon immer Vatermorde betrieben wurden. Und doch bleibt der Muttermord sehr viel tückischer. Ein Muttermord im Patriarchat kennt immer einen lachenden Dritten: Männer. Der Ödipus-Komplex lässt sich nicht einfach umdrehen: Ödipus tötet den Vater, um die Mutter zu bekommen. Alphagirls, die ihre Mutter töten, stehen dann mit dem Papa allein da. Wenn den Muttermörderinnen am Ende nur noch Harald Schmidt bleibt, dann werden sie ganz schön nach der Mama weinen.

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6 Kommentare

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  • A
    adecentone

    @ Argo

     

    Als Erstes muss ich ihnen sagen, dass ich die traditionelle Rolle der Frau keinesfalls ablehne, sie auch nicht als männlich tituliere, aber auch nicht vorschreiben möchte. Wenn eine Frau freiwillig mit ihrem Mann entscheidet, eine „traditionelle„ Auslegung des Lebens zu wählen, soll sie doch die Möglichkeit dazu haben, ohne von ihresgleichen verächtlich behandelt zu werden. Dies nennt man Wahlfreiheit. Und Polemisch schreiben leider nur sie, wie ihr erster Satz so fein belegt. Von wegen Selbstbestimmte Leben, gelle.

    Sie wettern doch gegen Frauen, die ein nach ihren Maßstäben traditionelles Leben wählen, da es nicht in ihr politisches Weltbild passt. In dieser Hinsicht bin ich wohl um einiges feministischer eingestellt als sie selbst.

    Eben so machen sie den Fehler wie fast alle Feministinnen. Ich schrieb hinter meinem Satz betreffs der Ablehnung des Ganzen ein kleines, aber feines, leider.

    Wer unter seinesgleichen offensichtliche Radikale verbirgt, und dessen verrückten Theorien Obdach gibt, muss sich auch Anfeindungen gefallen lassen, die nur dieser kleinen Gruppe galten.

    Im Grunde bin ich Feminist, benutze aber nicht diese belastete Bezeichnung, war es schon immer, aber dies dank einer Mutter die sich nie mit all diesen wirren Theorien beschäftigte, von denen viele mehr auf eine Entrechtung des Mannes zielen, als die Stärkung der eigenen Fähigkeiten.

    Vom ominösen Satz im Hamburger Programm der SPD haben sie sicherlich gehört, ist aber nur ein Beispiel für die Überspitzung der Forderungen. Familienpolitik wird massiv missbraucht im Sinne des feministischen Gedankenguts.

    Gleichberechtigung muss sein, es ist gut so, aber selektive Gleichstellung, je nachdem es für Frauen attraktiv ist oder nicht, dies ist nun wahrlich eine Kopfgeburt der egoistischsten Art.

    Die Gesellschaft von Oben quasi mit Gewalt per Gesetz ändern zu wollen, dies lässt automatisch den Widerstand erblühen, wie es ja schon überall geschieht. In meinem, aufgeklärten, Bekanntenkreis sieht man diese Entwicklung mit Entsetzen und Fassungslosigkeit.

    Der Vergleich von Ariern und Frauen ist eben so grotesk wie der Vergleich der Schwarzer von Frauen und Juden bei der Börne-Preisverleihung. Haben sie sich da auch so aufgeregt? Ich tippe mal Nein.

    Etwas Teilpolemik zum Schluss. In Dänemark und Schweden setzten Frauengruppen gerade durch, das diese im Hallenbad oben ohne baden dürfen. Nun warte ich nur darauf, wann der erste lütte 12jährige Jung als Sexmonster und Gewalttäter verunglimpft wird, weil er eine Erektion bekommt bei diesem, sicherlich nur teilweise netten, Anblick. Die Verhüllung der Geschlechtsmerkmale hat schon seine Gründe, aber dies führt zurück zu meiner Behauptung der „wilden Forderungen“, ohne Sinn und Verstand.

    Vom Gender mainstreaming will ich gar nicht erst anfangen. Dies gleicht nun wirklich mehr einer kranken Ideologie als gesundem Menschenverstand.

  • JB
    Jana B

    Girlies gegen Mütter - so sieht also die Feminismusdebatte in Deutschland heutzutage aus. Was mir dabei fehlt, ist die Auseinandersetzung miteinander, statt einander einfach nur die Beleidigungen um die Ohren zu hauen. Beide Lager sind miteinander verbunden, bedingen einander, ob sie nun wollen oder nicht: Die Mütter haben den Anfang gemacht, das Probem benannt, den ersten Schritt zur Lösung unternommen. Ich bin nun wirklich kein Fan von Andrea Dworkin (ihr "Opfer-Kodex" ist mir zu undifferenziert und männerlastig), aber gerade durch die Überspitzung des Themas wurde Aufmerksamkeit geschaffen, wurden Denkprozesse ausgelöst, Situationen verändert. Es ist nicht perfekt, aber wir sind auf dem Weg. Was fehlt auf Seiten der Mütter ist die Einsicht, dass das, was sie bei den Girlies monieren, erst durch die Muetter selbst möglich wurde. Die Girlies sind die Fortsetzung dessen, was damals angefangen wurde; das nächste Kapitel. Sie setzen sich andere Definitionen, andere Schwerpunkte und andere Ziele, weil ihre Grundlagen, ihre Hintergruende andere sind. Was die Mütter erreicht haben, ist die Voraussetzung fuer die Entstehung der Girlies. Also: Ohne Schwarzer keine Alphamädchen.

     

    Das funktioniert aber auch andersrum, und das ist der Punkt, der den Girlies abgeht - ohne die Mütter waeren sie heute nicht da, wo sie heute sind. Sie sind sich ihren Anfängen, vielmehr den Anfängen der Bewegung, nicht bewusst. Ihre Grundlagen sind nicht mehr Kinder-Küche-Kirche, sondern Frauenquote und Babypause -- Dinge, die die Mütter erstritten haben, die aber heute nicht mehr als Siegesgut sondern als Selbstverständlichkeit angesehen werden. Was für die Mütter damals Kapmf war, ist heute für die Girlies Nebensächlichkeit; eine Neu-Definierung muss her. Oder eher, sie haben den Luxus, sich neu zu definieren. Und beim Überlegen darüber, wie oft frau wohl das Wort "bitch" in einem Rap unterbringen kann, wird leider vergessen, dass es eben nocht nicht vorbei ist. Was die Mütter damals angefangen haben, ist noch nicht zu Ende. Was den Girlies fehlt, ist eine Antwort zu der Frage: "War's das; reicht uns das?" Die Anwort darauf könnten die Alphamädchen bei der Schwarzer finden. Was wiederum einen Dialog voraussetzt; womit wir wieder beim Anfang der Geschichte wären...

     

    Und @ Herrn Behrens -- Frauen haben sich nicht ausgesucht, immer die Opfer zu sein, sie wurden dazu gemacht. Wer die Produktionsmittel/das Geld in den Händen hat, hat die Macht. Das Patriarchat hat sich nicht einfach im luftleeren Raum entwickelt weil es für alle Beteiligten das Beste war, sondern sondern weil es das Matriarchat gewaltsam beiseite schob.

  • A
    Argo

    @adecentone:

     

    ??? etwa männlich und 'traditionell'? oder warum empfinden Sie Feminismus als Bedrohung und ziehen groteske Vergleiche zwischen Ariern und Frauen? Und was bitte meinen Sie mit "desto wilder werden die Forderungen"? ist die "Forderung" eines selbstbestimmten Lebens und Liebens immer noch Zündstoff genug, dass Sie derart polemisch dagegen wüten müssen?

     

    Ich würde eher sagen, dass Gleichberechtigung der Geschlechter ein Menschenrecht ist, das leider in Deutschland immer noch nicht ganz durchgesetzt wird in manchen Bereichen. Aber es geht aufwärts. Und Autoren wie Thea Dorn sei Dank, dass sie durch Präsenz und Denkfähigkeit dazu beitragen, manche Rädchen in der Diskussion neu auszurichten.

  • A
    adecentone

    Man riecht in diesem Artikel förmlich die Angst der ideologisch verblendeten Feministinnen. Viele Männer, und auch Frauen, haben mittlerweile erkannt, das diese Art von Feminismus mehr mit Faschismus als mit dem Humanismus gemein hat. Alleine die perverse Wortschöpfung positive Diskriminierung erinnert mehr an die Bevorzugung von Ariern als an Gerechtigkeit oder Fairness. Das letzte Mittel. Da die Gleichberechtigung nicht so einschlägt wie viele der Damen es sich erhofft haben, muss es nun die staatlich verordnete Gleichstellung im Sinne des völlig bizarren Gender Mainstreaming und dessen eigentlich intelligenten Vaters, der Theorie des Sozialkonstruktivismus, welche vergewaltigt wurde durch gewisse Personen, regeln. Wenn sich unter dem Deckmantel des Sozialismus der Nationalsozialismus verstecken dürfte, müsste man den Sozialismus als Ganzes ablehnen, da korrumpiert durch Duldung. Da diese Ausgrenzung der bizarrsten Formen des Feminismus eben nicht geschieht, eher noch im Sinne einer Schwesternschaft verteidigt und andauernd bewusst verschleiert wird, muss man es als Ganzes ablehnen. Leider.

    Schwarzer ist heute ein Anachronismus, der eigenen Sache eher hinderlich, und daher immer anfälliger für Angriffe jeglicher Art.

    Schwarzer ist leider für Realitäten nicht mehr zugänglich, da zu sehr verhaftet in alten und sehr persönlichen Feindbildern. Allerdings sind Personen wie Lady Bitch, Thea Dorn, vd Leyen, Butler uva. noch um einiges lächerlicher, daher soll dessen Ideologie von oben nach unten mit Gesetzen etc. gestöpselt werden, und dies wird ganz sicher in einem Desaster enden. Die positive und progressive Einstellung des männlichen Geschlechts, sicherlich nicht aller, wird aufs widerlichste ausgebeutet. Je mehr Spielraum diese Damen bekommen, desto wilder werden die Forderungen. War aber ein nettes und lehrreiches Experiment, und hoffentlich wird die übernächste Generation etwas aus diesem selbst produzierten bzw. erduldeten Chaos lernen.

  • A
    Argo

    Als weibliches Wesen der Generation von Jana Henschel & Co muss ich sagen, dass ich nicht unbedingt einen Generationenkonflikt ausmachen kann, da ich beispielsweise die Meinung von Jana Henschel & Co so nicht teile, und es zudem ablehne, wenn Einzelne fuer sich die Deutungshoheit in Anspruch nehmen. Und so ist es nicht unbedingt ein Widerspruch, Alice Schwarzer UND Lady Bitch Ray zu befuerworten, im Gegenteil- denn beide wenden sich an ein anderes Publikum. Und nach wie vor liegt mir Schwarzer naeher als Lady Bitch Ray, da ich negative Zuschreibungen/Ausdruecke wie Bitch oder Schlampe noch nie ersnt genommen habe, und ich es somit fuer meinen Teil muessig faende, diesen Kategorien soviel Aufmerksamkeit zu schenken....

  • FB
    Frank Behrens

    Danke für den Artikel.

    Es scheint mir interessant, die tiefenpsychologische Betrachtung von Schneewittchen hierzu zu betracheten.

    Außerdem denke ich, dass es beim Ödipus um die Ablösung, die Differenzierung von der Urmutter geht, nich von der physischen Mutter, was sowohl Frauen wie Männer gleichermaßen betrifft, um ein Individualisierung, die Ausbildung eines eigenständigen, gesunden Egos Raum zu schaffen. Ken Wilber zeigt es schön auf in "Halbzeit der Evolution".

    Wenn Frauen immer die Opfer sind ist daraus zu schließen, dass sie sehr viel blöder sind als die Männer. Das ist nach meiner Beobachtung nicht der Fall. Somit ist es für die gemeinsame Entwicklung wohl von Vorteil gewesen, sich "partriachal" zu organisieren. Dadurch wird es gemeinsame Geschichte und ich verspüre es als außerordentlich reizvoll, jetzt neues zu probieren, zu treffen und den langweiligen Krieg zu beenden. Es gibt da sehr viel spannenderes zu ent-decken.

     

    Gruß

    Frank