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Generalabrechnung in Bayern

■ Gestern begann die Mammutdebatte im bayerischen Landtag über das geplante neue Abtreibungsrecht

München (taz) – Renate Schmidt, die bis vor ein paar Jahren zwei Kinder alleine erzogen hat, hält das neue bayerische Abtreibungssonderrecht für typisches Männerrecht. Wenn es Männer auch nur annähernd so beträfe wie Frauen, sähe es anders aus, erläuterte sie ihren bayerischen Parlamentskollegen: „Stellen Sie sich einmal vor, eine Frau könnte nach der Geburt ihr Kind ihrem Mann in die Hand drücken und sich verabschieden mit den Worten: Den Unterhalt zahle ich an jedem Monatsersten.“ Welche Gesetze, so Renate Schmidts rhetorische Frage, würde die männerdominierte CSU-Fraktion mit ihrer absoluten Mehrheit dann verabschieden? „Solche Gesetze, wie sie jetzt von der CSU durchs Parlament gepeitscht werden sollen, gäbe es dann mit Sicherheit nicht“, sagte die streitbare Sozialdemokratin, und der Zorn der CSU-Männer war sicher. Einige Momente lang war im bayerischen Landtag nur das Getöse der Zwischenrufer und der Applaus aus den eigenen Reihen zu hören, dann konnte Renate Schmidt ihre Generalabrechnung mit der bayerischen 218-Politik fortsetzen. Heftig kritisierte sie die geplante Verpflichtung der Frauen, in einem Beratungsgespräch die Gründe für eine Abtreibung zu nennen: „98 Prozent der Frauen wollen sowieso reden. Wenn aber zwei Prozent schweigen wollen – weil sie vielleicht in einer familiär unerträglichen Situation sind und Angst haben, daß ihnen sonst die Familie auseinanderknallt –, dann helfen auch Ihre Druckmittel nichts.“

Noch deutlicher wurde die SPD-Landesvorsitzende beim zweiten geplanten Sondergesetz, das keinem Arzt erlaubt, mehr als 25 Prozent seines Umsatzes mit Abtreibungen zu erzielen. Ambulante Abtreibungen seien dadurch in Bayern demnächst nicht mehr möglich, sagte Renate Schmidt. Denn kein Arzt würde sich den einmalig harten Vorschriften unterwerfen: „Wenn ein Arzt nur für das verspätete Vorlegen einer Teilnahmebescheinigung an einer Beratung mit bis zu 10.000 Mark Strafe bedroht wird, ist die logische Folge, daß Ärzte für Abtreibungen nicht mehr zur Verfügung stehen.“ Die umfassenden Kontrollmöglichkeiten der Behörden bei Abtreibungsärzten hätten außerdem die Folge, daß „Prozesse wie in Memmingen der Alltag in Bayern sein werden“.

Die bayerische Familienministerin Barbara Stamm verteidigte die bayerischen Sondergesetze. Der SPD gehe es in der Debatte nur um „Publizität, Polemik und politische Effekthascherei“. Auch den von den Sozialdemokraten angekündigten „heißen Herbst“ fürchte sie nicht; es sei ihre „oberste Verpflichtung, das ungeborene Leben zu schützen“, sagte die CSU-Politikerin. „Es gibt eben kein Selbstbestimmungsrecht der Frau, wenn Leben entstanden ist.“

Die Debatte des bayerischen Landtags wird heute mit der Diskussion der Details fortgesetzt; theoretisch bleibt dafür bis Freitag täglich von 0 bis 24 Uhr Zeit. Die SPD, die die Beratung durchgesetzt hat, will jedoch den Eindruck einer Verzögerungstaktik vermeiden. Deshalb werde nicht „auf Zeit gespielt, sondern nur inhaltlich penibel beraten“, sagte einer ihrer Abgeordneten. Felix Berth

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