Gemeinsame Zeit: Eine Freundin, eine gute Freundin
Der stressige Alltag führt bei unserer Kolumnistin dazu, dass sie Treffen öfter mal absagt. Dabei sind Freundschaften wichtiger, als wir meinen.

W ir, M und ich, können es selbst kaum glauben. Ist es wirklich schon ein ganzes Jahr her, dass wir uns zuletzt gesehen haben? Wir überlegen, als wir am Oranienplatz in ein pornöses Mandelcroissant beißen und wissen es nicht.
Dabei sind wir nicht irgendwelche losen Bekannten, wir sind enge Freund*innen. Doch mit den Freundschaften ist das in den mittleren Jahren so eine Sache. Wir gehen zur Arbeit, in den Discounter und zum Sport. Wir kümmern uns um Familie und Haushalt, aber die Menschen, mit denen wir befreundet sind, kommen regelmäßig zu kurz.
Laut einer Umfrage führt die veränderte Lebensrealität zwischen 30 und 40 dazu, dass wir im Schnitt zwei unserer Freund*innen verlieren. So weit ist es bei mir zum Glück noch nicht, aber ich merke, dass so manche Freundschaft nur noch an einem seidenen Faden hängt.
Das macht mich traurig. Denn die Zeit, die man mit Freund*innen verbringt, ist mitunter die schönste, die man haben kann. Zusammen frühstücken, Klamotten tauschen, spazieren gehen, über eigene Unsicherheiten sprechen, sich gegenseitig beratschlagen, gut zureden, unterstützen.
Als ich mich von meinem damaligen Freund getrennt habe, war M. es, die mich übergangsweise in ihre WG einziehen ließ. Und als sie mal einen Nebenjob brauchte, vermittelte ich ihr den Kontakt zu dem Theater, in dem ich damals jobbte.
Freundschaften machen glücklich
Der Wissenschaft zufolge können enge soziale Bindungen sogar das Leben verlängern. Weibliche Weißschulter-Kapuzineraffen etwa haben eine höhere Lebenserwartung, wenn sie mit anderen Weibchen interagieren.
Aber auch wir Menschen brauchen Freundschaften dringender, als wir es uns manchmal bewusst machen. Denn Freundschaften senken das Sterblichkeitsrisiko ähnlich stark wie Alkohol- oder Zigarettenverzicht und sind diesbezüglich sogar noch wichtiger als das Gewicht oder Bewegung.
Treffen wir uns mit Freund*innen, schüttet unser Körper Glückshormone aus. Wir fühlen uns geborgen, weniger gestresst und zufriedener, was sich wiederum positiv auf unsere Gesundheit auswirkt. Frauenfreundschaften basieren laut Expert*innen eher auf Intimität und gegenseitigem Support, während Männer mehr über gemeinsame Unternehmungen bonden.
Die große Nähe zwischen Frauen macht ihre Freundschaften aber manchmal auch zerbrechlicher. Wirkte es bis vor Kurzem noch so, als sei man seelenverwandt, fühlt man sich mitunter emotional entfremdet.
Ähnlich irritierend: Die Freundin meldet sich länger nicht oder sagt öfter ab. Sorry T., A., K. und F.! Ich gelobe Besserung. Richtig katastrophal sind aber Freundinnen, die lästern, Geheimnisse verraten, zu sehr klammern oder einem ständig Schuldgefühle machen.
Scheiß auf die Muckibude
Mit M. und mir ist es hingegen die allermeiste Zeit erste Sahne. Wir haben uns damals vermutlich auch deshalb zusammengetan, weil wir vom Narzissmus an unserer Kunstuni irritiert waren, aber die Liebe für dieselben Dinge teilten: Literatur, Schreiben – und bloß weg von dem, wie wir aufgewachsen sind.
Ich glaube, dass wir das auch deshalb so gut hinbekommen haben, weil wir immer aufeinander zählen konnten. Von daher: Scheiß auf die Muckibude und Wäschewaschen. Heute sehen wir uns wieder.
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