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Gemeinsam gegen den Stellenabbau -betr.: "Grüne: Der Staat soll entlassen" und Kommentar "Tabubruch", taz vom 7.10.1995

Betr.: „Grüne: Der Staat soll entlassen“ und Kommentar „Tabubruch“, taz vom 7.10.

Erst 100 Tage ist's her, daß Grüne in Bremen als Senatoren und Ortsamtsleiter auch Dienstvorgesetzte waren, da werden die ehemaligen Untergebenen als zu oft nichtsnutzig und nichtarbeitend gescholten. Wenn in Ämtern nicht gearbeitet wird, ist dies meiner Einschätzung nach erst mal auch eine eklatante Führungsschwäche. Entlassungen als Allheilmittel? Quatsch. Wer sich beruflich mit Entlassungen beschäftigt, kann diese Theorie nur ablehnen.

Entlassungsdruck wird in der Regel mit extremen Mobbing-Situationen umgesetzt. Entlassen werden dann meist Ältere ab 45 oder 50 Jahren. Die Kosten trägt dann wieder die Allgemeinheit (Arbeitslosengeld, Wiedereingliederungsmaßnahmen, Krankheitskosten, frühere Rentenzahlungen).

Die Tarifverträge im Öffentlichen Dienst sind das Ergebnis von jahrzehntelangen Kämpfen der Beschäftigten, die solidarisch ausgefochten wurden. Nur so kommt Unkündbarkeit nach 15 Jahren Beschäftigung zustande. Ähnlich z.B. Altersicherung im IG-Metall-Bereich.

Die Grünen haben den Projekten, Initiativen, Jugend- und Wohlfahrsverbänden usw. einen Bärendienst erwiesen. Statt solidarisches Handeln von allen vom Sparkurs Betroffenen zu fördern, haben sie nun die Linie zwischen den Beschäftigten im Öffentlichen Dienst und den Arbeitnehmern bei freien Trägern gezogen. Die „Freien“ hätten die Solidarität der Verwaltung brauchen können, und gerade der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Bremen hat diesen Weg seit mehreren Jahren eingeschlagen. Danke an die taz, die den Artikel mit der Zeichnung von Til Mette karikiert hat.

Besser ist: Gemeinsam gegen Stellenabbau und für Arbeitszeitverkürzung, dort wo es möglich ist Arbeitslosigkeit ist soziales Elend und keine Alternative. Eine Reform der Staatsverwaltung, wieder hin zu mehr Bürgernähe als Dienstleistung und der Abbau überflüssiger Vorschriften und Vorgänge, daran lohnt es sich mitzuarbeiten. Kreative Modelle, wie z.B. Teilzeitarbeit ab 50, aber voller Rentenbeitrag, sorgen für eine ertragbare Entlastung der Staatsfinanzen.

Ansonsten ist der Vorschlag eben auch nur populistisch, denn arbeitsrechtlich sind betriebsbedingte Entlassungen im Öffentlichen Dienst nur theoretisch durchführbar: Die Sozialauswahl wäre unter allen vergleichbaren Beschäftigten aus allen Ämtern durchzuführen. Praktisch unmöglich. Entlassen werden könnten dann höchstens die Jüngeren, während die Älteren, die oft zu Recht am Ende ihres Arbeitslebens nicht mehr so leistungsfähig sind, deren Arbeit miterledigen müssen?!

Jürgen Maly

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