Geldwäsche in Somalia: Die Schatulle der Piraten
Somalische Piraten investieren ihre Lösegelder und kurbeln so die afrikanische Wirtschaft an. Beispielsweise durch Immobilienkäufe.
Eigentlich hatte Peter Mwangi den Schlüssel zu seinem neuen Eigenheim fast schon in der Tasche. In einem halben Jahr, so der Plan des Bankangestellten in Kenias Hauptstadt Nairobi, würden er und seine Familie umziehen, von seinem alten Mietshaus im Mittelklasse-Stadtteil Kileleshwa in ein Townhouse, eine Art Reihenhaus auf ummauertem Wohngebiet samt Swimmingpool und Tennisplatz, am grünen Stadtrand von Nairobi. "Ich hatte das Haus schon ausgemessen und mit dem Makler einen Vorvertrag unterschrieben", sagt Mwangi. "Aber an dem Tag, als ich vorbeikam, um die Anzahlung zu machen, kriegte ich die Mitteilung, das Haus sei verkauft worden." Der Käufer, fand Mwangi vom Angestellten des Maklers heraus, soll ein somalischer Geschäftsmann gewesen sein: "Der hat in bar gezahlt. Doppelt so viel, wie verlangt wurde, eine Million US-Dollar."
Im persönlichen Gespräch räumen Investoren und Makler ein, dass manche Häuser schon im Rohbau an somalische Geschäftsleute verkauft werden, die in teuren Limousinen vorfahren und stets bar zahlen. "Die zahlen mehr, damit wir die Warteliste umgehen", sagt ein Bauherr, der anonym bleiben möchte. "Alle wissen, dass das Geld aus der Piraterie stammt, aber keiner sagt was - dafür sind wir zu froh, ein gutes Geschäft zu machen." Die Somalier, die seit einigen Monaten in Kenias Hauptstadt auf Einkaufstour gehen, konzentrieren sich längst nicht nur auf Edelobjekte: In South B und South C, Wohngegend der unteren Mittelklasse, gehen die Käufer derzeit von Haustür zu Haustür, um willige Verkäufer zu finden. "Die kaufen ganze Straßenzüge", sagt ein Mitarbeiter in Kenias Grundbuchamt.
Die Häufung der Häuserkäufe ist ihm zufolge der Beleg dafür, dass es sich um Investitions-, nicht um Wohnobjekte handelt. Häuser eines gewissen Standards, nach denen Kenias Mittelschicht verlangt, sind knapp. "Da wird Geld gewaschen und gleichzeitig mit Gewinngarantie investiert." In Kenia leben mehrere Millionen Somalier, viele von ihnen besitzen Grund und Boden und im Zweifel auch einen kenianischen Pass.
Der Run auf Nairobis Immobilien ist nur ein Hinweis darauf, was mit den Millionenlösegeldern der Piraten geschieht. Auf zwischen 50 und 150 Millionen US-Dollar schätzen manche Beobachter die Summe der Lösegelder allein im vergangenen Jahr. "Es ist ein sehr attraktives Business, das steht fest", sagt der UN-Sonderbeauftragte für Somalia, Ahmedou Ould Abdallah. Er ist sicher, dass es weitergeht, trotz des gestiegenen Risikos der Piraten. "Piraterie ist so was wie Hedgefonds, die sind ja auch nicht risikofrei." Ould Abdallah glaubt, dass man die Piraten und ihre Hintermänner am besten über die Geldströme packen kann - so, wie es auch sonst bei der Verfolgung internationaler Krimineller üblich ist. US-Außenministerin Hillary Clinton kündigte vergangene Woche genau das an: Man werde die Vermögen der Piraten einfrieren. "Wir wollen die Geldflüsse verfolgen und illegale Geschäfte unterbinden."
Doch das ist leichter gesagt als getan. Nirgends scheint das so offensichtlich wie in Garissa, einem staubigen Städtchen im Nordosten Kenias, nicht weit von der somalischen Grenze entfernt. Wer von hier nach Nairobi fährt, sagt, ich fahre nach Kenia. Seit der Unabhängigkeit hat sich die Wüstenprovinz fast nicht entwickelt, vom "Nördlichen Grenzgebiet" sprechen Kenianer bis heute. Die Mehrheit der Bevölkerung sind ethnische Somalis, von denen viele Clanverwandtschaft jenseits der Grenze haben. Die ist zwar seit zwei Jahren offiziell geschlossen, doch den Grenzverkehr entlang der kaum gesicherten Grenze hat das nicht beeinträchtigt. "Die Bodenpreise hier im Nordosten sind geradezu explodiert", sagt Provinzgouverneur Kimeu Maingi. "Wir haben allen unseren Behörden mitgeteilt, gezielt nach Piratenlösegeldern Ausschau zu halten."
In der Grenzregion beobachtet Maingi auch immer mehr Schmuggel im großen Stil. Elektroartikel, gefälschte Designerkleidung, Mais und Zucker werden ebenso über Somalia nach Kenia geschmuggelt wie Fahrzeuge, allen voran teure Geländewagen. Zollbeamte sprechen von einem Riesengeschäft: Gut 200.000 Euro täglich, so schätzen sie, sollen die Hintermänner allein mit dem Schmuggel von Zucker machen, der in Ostafrika knapp und teuer ist. Wer von Garissa nach Norden fährt, auf der Hauptdurchgangsroute der Schmuggler, findet die Pakete mit Zucker "made in Dubai" überall am Straßenrand - zwei Kilo kosten 50 Euro-Cent, weniger als die Hälfte dessen, was ein Supermarkt in Nairobi verlangt. Die Ware wird mit Booten und Eselskarren über die Grenze geschafft, allein durch Wajir fahren täglich 30 Laster, berichten Bewohner. Die Zollbeamten tun nichts. "Wir prüfen Berichte über Korruption an der Grenze", räumt Maingi ein. "Ich habe mich bei einem Polizisten über den Zuckerschmuggel beschwert", sagt Abdi Noor Gaamey, ein Händler in Wajir. "Er hat mir ins Gesicht gesagt: Wenn du nicht den Mund hältst, bringe ich dich um."
Die Gewinne, die die Schmuggler machen, werden sofort zurück nach Somalia überwiesen. Spuren hinterlassen sie nicht: Die meisten benutzen das traditionelle islamische Hawallah-System, bei dem ein Telefonanruf reicht, um Geld tausende Kilometer weit zu verschicken. Es ist das gleiche System, das angeblich zur Finanzierung von Terroranschlägen islamistischer Gruppen genutzt worden sein soll. Auch sonst deutet vieles daraufhin, dass islamistische Gruppen in Somalia in das Geschäft mit den Lösegeldern verstrickt sind. "Wir müssen Teile der Lösegelder an die Islamisten abgeben, ein anderer Teil geht an Gruppen, die der Übergangsregierung nahestehen", sagt ein Pirat, der sich Achmed Gel-Qonaf nennt. "Es gibt eine riesige Zahl an Gruppen, die ihr Stück vom Kuchen abhaben wollen." Und keine, sagt Gel-Qonaf, bekommt mehr als die Shabaab-Miliz, die derzeit mächtigste Islamistengruppe. Provinzgouverneur Maingi glaubt, dass islamistische Terroristen wie Hassan al-Turki das Schmuggelgeschäft mitkontrollieren: "Es heißt sogar, er habe einen kenianischen Pass."
Mehr als 100 Millionen US-Dollar, so ein Bericht des US State Departments, werden jedes Jahr in Kenia gewaschen, weil die Regierung keine gesetzlichen Vorkehrungen getroffen hat. "Kenia fehlen zudem die Institutionen und die kriminalistische Ausrüstung, um die komplexen Untersuchungen anzustellen, die im Zusammenhang mit Geldwäsche nötig sind", heißt es weiter. Zudem würden ermittelnde Polizisten ebenso geschmiert wie Regierungsbeamte und Politiker. Mit Erfolg: Seit Jahren ist in Kenia niemand wegen Geldwäsche auch nur angeklagt worden.
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