: Geld oder Boden?
■ Heute fällt Urteil über umstrittene Enteignungsklausel im Einigungsvertrag
Karlsruhe. Heute und morgen wird das Bundesverfassungsgericht die mit Spannung erwarteten Urteile über zwei weitreichende Bestimmungen des deutschen Einigungsvertrages verkünden. Zunächst geht es um die Regelung in dem Vertragswerk, daß die von 1945 bis 1949 in der damaligen sowjetischen Besatzungszone vorgenommenen Enteignungen nicht rückgängig gemacht werden dürfen. Das Urteil vom Mittwoch betrifft dann Hunderttausende von öffentlichen Bediensteten der ehemaligen DDR, die in der sogenannten Warteschleife mit gekürzten Bezügen der drohenden Entlassung entgegensehen.
In beiden Fällen urteilt der Erste Senat des höchsten deutschen Gerichts, in dem Gerichtspräsident Roman Herzog den Vorsitz führt und der sich jeweils in ausführlicher mündlicher Anhörung mit den beiden umstrittenen Bestimmungen des Einigungsvertrags und ihren praktischen Folgen befaßt hatte. Bei den Verhandlungen über diesen Vertrag hatte die Bundesrepublik den Standpunkt der Sowjetunion und der DDR-Regierung, daß die nach Kriegsende bis 1949 vorgenommenen Enteignungen nicht mehr rückgängig gemacht werden dürften, hingenommen und in Übereinstimmung mit der damaligen Ostberliner Regierung festgelegt, daß die Zahlung etwaiger staatlicher Ausgleichsleistungen dem gesamtdeutschen Parlament vorbehalten bleiben müsse. Die Festschreibung der Enteignungsmaßnahmen war später durch Einfügung eines Artikels 143 in das Grundgesetz sanktioniert worden.
Betroffen von den Enteignungsmaßnahmen waren rund 8.000 Großgrundbesitzer mit mehr als 100 Hektar landwirtschaftlicher Fläche, deren Besitz bei der Bodenreform teilweise an Siedler und „Neubürger“ verteilt wurde. Zu den Betroffenen zählten ferner rund 4.000 Unternehmer und kleinere Grundbesitzer, die als Kriegsverbrecher und „aktive Verfechter der Nazipartei“ enteignet und von ihrem Besitz vertrieben wurden. dpa
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