Geld alle für Eingliederungsmaßnahmen: Bremer Jobcenter arbeitslos
Das Jahr ist zur Hälfte vorbei und das Bremer Jobcenter hat kein Geld mehr für Eingliederungsmaßnahmen. Damit fällt ein Teil von dessen Arbeit flach.
Aus seinem Eingliederungsbudget finanziere das Jobcenter eine Vielzahl von unterstützenden Maßnahmen für Bürgergeld-Bezieher, sagt Tobias Helfst vom Bremer Erwerbslosenverband. Dazu gehörten Coachings und Fortbildungen, aber auch Dinge, die Voraussetzung dafür sind, dass bestimmte Jobs überhaupt angenommen werden können, wie etwa der Erwerb eines Führerscheins. „Zusammen bildet es das Herzstück des veränderten Umgangs des Jobcenters mit der umgangssprachlich als 'Hartz 4’ bekannten Leistung, hin zum fördernden Bürgergeld“, sagt Helfst.
Dass das Budget schrumpfen würde, war seit den Haushaltsverhandlungen im Bund im Sommer vergangenen Jahres bekannt. 500 bis 700 Millionen Euro sollten bei der Arbeitsmarktförderung für Langzeitarbeitslose bundesweit gespart werden.
Das Bremer Jobcenter stellt denn auch klar, dass die aktuelle Situation nichts mit dem geringeren Budget zu tun habe. Vielmehr sei „in diesem Jahr der Einsatz des Eingliederungsbudgets – anders als in den vergangenen Jahren – nicht gleichmäßig über das Jahr hinweg gelungen.“
Kosten „unvorhersehbar und deutlich erhöht“
Das liege daran, dass das Jobcenter im ersten Halbjahr sehr erfolgreich gearbeitet habe. „Es wurden zehn Prozent mehr Arbeitssuchende als geplant auf dem Weg in den Arbeitsmarkt unterstützt.“ Dabei hätten sich die Kosten vieler Hilfen im Vergleich zum Vorjahr „unvorhersehbar und deutlich erhöht“. Darüber hinaus sei der Unterstützungsbedarf von Arbeitssuchenden gestiegen. Ihnen seien Maßnahmen mit einer längeren Laufzeit bewilligt worden.
Das Jobcenter habe das Eingliederungsbudget zu Lasten des Verwaltungsbudgets von 63 auf 66 Millionen Euro erhöht. Knapp 34 Millionen davon seien bereits ausgegeben, weitere 32 Millionen Euro für Maßnahmen in der zweiten Jahreshälfte verplant. Davon profitierten viele Arbeitssuchende auch in der zweiten Jahreshälfte.
Intern „schon länger bekannt“
Keinen Handlungsspielraum mehr habe das Jobcenter in der Tat bei flexiblen Angeboten wie Gutscheinen für Coachings und Qualifizierungen. Erhalten blieben jedoch Maßnahmen bei Trägern, Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs), in der außerbetrieblichen Berufsausbildung, der assistierten Ausbildung, der Weiterbildung in Grundkompetenzen sowie der Beratung und Vermittlung von Selbstständigen.
Dass das Eingliederungsbudget mitten im Jahr erschöpft sein würde, sei intern „schon länger bekannt“ gewesen, sagt Herbst. Die Geschäftsführung des Jobcenters Bremen habe das aber auf Nachfrage einzelner Geschäftsstellenleitungen mehrfach bestritten. Deshalb hätten sich die Jobcenter auch nicht darauf vorbereitet.
Das das Budget knapp würde, habe der Erwerbslosenverband daran gemerkt, dass die Jobcenter nur mehr widerstrebend bereit gewesen seien, Führerscheinausbildungen zu bezahlen. „Seit Monaten führen wir Prozesse, weil das Jobcenter Führerscheine verweigert“, sagt Helfst.
Für die Mitarbeiter des Jobcenters sei die Situation frustrierend, weil ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit wegfalle. „Ich habe mit Menschen gesprochen, die sagen: Wir können mit den Leuten nur noch Angebote googeln“, sagt Helfst. Viele Mitarbeiter seien sauer, weil sie gerne helfen wollten, das jetzt aber nicht mehr könnten.
Schlag ins Gesicht für Beschäftigte
Helfst befürchtet, dass die Panne dramatische Folgen haben könnte, schließlich gehöre Bremen zu den Städten mit der höchsten Armuts- und Erwerbslosenquote. „Die Streuwirkung wird enorm sein“, prognostiziert er, denn durch die Ebbe im Etat drohten auch die Anbieter der Coachings und Qualifizierungen auf dem Trockenen zu sitzen.
„Es ist ein Schlag ins Gesicht für unsere Beschäftigten und die refinanzierten Tarifverträge, die wir in dem Bereich haben,“ sagt Markus Westermann, Bezirksgeschäftsführer der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Die Gewerkschaft hatte per Tarifvertrag erreicht, dass das Land Bremen den niedrigen Bundes-Mindestlohn für die Beschäftigten der Träger auf Bremer Niveau angehaben hat.
Das Jobcenter versichert, es habe bereits im März und April mit einzelnen Trägern wegen der langen Laufzeiten und hohen Kosten gesprochen. Es versuche in persönlichen Gesprächen mit den Bildungs- und Beschäftigungsträgern Lösungen zu finden. Aber der finanzielle Handlungsspielraum sei leider sehr eingeschränkt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin