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Geld, Ethik etc.Zwei Regelwerker

■ Sloterdijk lobte, Oskar lachte: In Wien konnte man die Outcasts in Sachen Menschenpark und Wirtschaftsgehege begutachten

Zwei Sessel, ein Stahltischchen, zwei Karaffen Wasser – nur der rote Plüsch bricht das Asketische der Szenerie auf der Bühne des Wiener Burgtheaters. Sonntagmorgens sitzen hier zwei lustige Herren, zwei, die zu Outcasts wurden, der eine, weil er für „Regeln im Menschenpark“ plädierte, der andere, weil er Regeln ins Weltwirtschaftsgehege bringen wollte – Peter Sloterdijk, der Philosoph, und Oskar Lafontaine, der „Altfinanzminister“, wie Sloterdijk ihn scherzhaft nannte. Gekommen waren sie auf Einladung der Zeit, um ein Gespräch über „Geld und Ethik“ zu führen.

Doch daraus wurde nichts. Freundlich bestätigten die Herren einander, auf der Basis gemeinsamer Erfahrungen. „Dass sie mich als deutscher Skandalführer abgelöst haben, das werde ich Ihnen zeitlebens hoch anrechnen“, bedankte sich der artige Denker Sloterdijk und fuhr sich durch die struppige Langhaarfrisur. Oskar umspann mit den Händen den runden Kugelbauch und lachte leise.

Sloterdijk umkreiste sein Visavis, während dieses meist einen abschweifenden Gesichtsausdruck machte; Sloterdijk, der am Höhepunkt seiner Gespensterdebatte mit Jürgen Habermas & Freunden den Tod der 68er annoncierte, sich als solitärer Denker des Fälligen wider die organisierten Altvorderen inszenierte, outete sich als zärtlicher Freund der lafontaineschen Sozialdemokratie: „Ich bin voller Sympathie für das, was sie sagen, weil es so schön altmodisch ist.“

Dieser Mann soll ein Rechter sein, der Stichwortgeber des neuen „Berliner Denkens“? Hier, am Wiener Parkett, war nichts davon zu hören – auch weil Lafontaine seinem Gegenüber mit heftigen Desinteresse begegnete. Da mochte Sloterdijk noch so bemüht jede Lafontaine-Faser, jeden Oskar-Faden aufheben – sinnlos die Mühe. „Wenn wir von etwas begeistert sind, können wir auch andere begeistern“, diese Schlussworte aus der Mannheimer Putschrede Oskar Lafontaines gelten Sloterdijk, so sagt er, als entscheidende Sätze des rhetorischen Fundus der Nachkriegszeit; und so wollte er sich selbst auch, hier vor ausgewähltem, handverlesenem Publikum, an die „Arbeit des Begeisterns“ machen.

So viel Richtiges haben sie gesagt: über die „Tendenz zur Personalverschlechterung in der Politik“ (Sloterdijk), über den „religiösen Glauben an die Selbstregulierungskraft des Marktes“ (derselbe), über die Notwendigkeit, „Sicherungen einzubauen“ in die globale Kapitalvernetzung (Lafontaine) und über das Grauen der medial transformierten Demokratie. Und der Zuhörer nickt.

Lange gab Sloterdijk die Hoffnung nicht auf, er könnte ein Gespräch in Gang bringen. Die Tragik der Sozialdemokratie liege doch darin, so der Denker, „dass sie noch immer keine Sprache für die neue Lage gefunden hat“. Da starrte Lafontaine fragend ins Leere.

Es war ein netter Vormittag mit zwei lustigen Herren. Doch nicht nur scheiterte das Gespräch zwischen Philosophie und Politik grandios, die Akteure selbst wirkten seltsam deplaziert. Es mag an der Stimmung im Lande liegen: In Österreich ist ein gepflegtes Gespräch über Politik heute nicht am Platz. Ein paar hundert Meter von der Theaterburg entfernt, am Stephansplatz, hatten zwei Tage davor gerade 70.000 Menschen gegen den Aufstieg der radikalen Rechten im Land demonstriert. Da ging es tatsächlich ums Ganze, auch um die Zukunft der Sozialdemokratie im Land.

Das Auditorium im Burgtheater, so scherzte ein Beobachter, war bloß „eine Teilmenge der Demonstration“. Und so kroch leiser Ärger den Rücken hoch: dass intellektuelle Intervention und politische Rhetorik Unterhaltungswert, nichts als Unterhaltungswert haben sollten, das schien kaum jemand in dieser Lage angemessen. Zumal: Sehr unterhaltend war der Vormittag ohnehin nicht.

Robert Misik

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