Geht's noch?: R2Gaga
linke und linksliberale haben mit sich selbst genug zu tun. Da sind ihre Energien auch sinnvoller investiert als mit Rot-Rot-Grün-Gelaber
Jetzt tagen sie wieder, die Jugendverbände und die alten Herren, die Oberstrategen und Unterbezirksvorsitzenden. Ein lustiges Spesenrittertum zieht durch die Hinterzimmer, das mit dem Rückzug von Joachim Gauck die Stunde gekommen sieht, dem witzisch „R2G“ genannten rot-rot-grün-Zombie neues Leben einzuhauchen. Kann daraus irgendetwas werden?
Da gibt es zunächst eine SPD, die immer noch nicht versteht, dass sie das Schlimmste getan hat, was eine linke Partei machen kann: Sie hat die Würde ihrer ureigenen Klientel mit Füßen getreten, „die Würde, dieses zerbrechliche Gefühl“, wie es der aus der Arbeiterklasse stammende Soziologe Didier Eribon in seinem Buch „Rückkehr nach Reims“ nennt. Menschen, die jahrzehntelang in eine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit eingezahlt haben, auf den Status von Fürsorgeempfängern zu reduzieren – das konnte man für eine clevere Idee halten. Nur machen durfte man es halt nicht, es sei denn um den Preis, dass die Wähler sagen: Verarschen kann ich mich selber – beziehungsweise mit der AfD. Die SPD braucht keine Koalition, sondern eine Revolution.
Die Grünen haben sich mit der Schwarz-Grün-Strategie in der Mitte etabliert. Warum um Gottes – um mit Kretschmann zu sprechen – willen sollten sie sich eine SPD ans Bein binden, die nicht mal einen Putsch hinkriegt? Und für die Linken in den Grünen – wer’s nicht mehr weiß: Links bedeutet Umverteilung – ist die Zeit des folgenlosen Grantelns in einem als Zierde rumbaumelnden Veggie-Wing angebrochen.
Die LINKE ist derzeit die wichtigste Partei. Sie hat die historische Aufgabe, die unteren Klassen nicht den Rassisten zu überlassen. Dazu muss sie die Mystifizierung der Arbeiter, der Armen und der arbeitslosen und armen Ostler beenden: Die da unten wählen nicht automatisch links. Es bedarf, mit Eribon gesprochen, „vermittelnder Theorien“ und geduldiger Basisarbeit, um die „negativen Leidenschaften“, also den Rassismus, derjenigen zu neutralisieren, die sich selbst als nicht marktgerecht empfindenden.
Genug zu tun also; und sich auf Hans-Christian Ströbele als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten zu verständigen – das kann ja wohl nicht länger als eine Zigarettenlänge dauern. Ambros Waibel
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