Geht’s noch?: „Scheißplattform“ aus Gold
Jan Böhmermann und Olli Schulz witzeln künftig bei Spotify –für viel Geld. Bigotter geht’s kaum noch
Wäre es nicht seine eigene Geschichte, würde Jan Böhmermann sie wohl genüsslich auskosten. Mit all ihren Pointen über die Bigotterie, die Gier und die Widersprüche zu dem, was er früher gesagt hat. Haha.
Jan Böhmermann und Olli Schulz ziehen ihre Radiosendung „Sanft und Sorgfältig“, die bisher sonntags im rbb und auf vier anderen öffentlich-rechtlichen Jugendwellen lief, zum Musikstreamingdienst Spotify um. Spotify, das ist jene „Scheißplattform, bei der die Künstler keine Kohle verdienen“, hat Olli Schulz vor drei Jahren gesagt. Jan Böhmermann meinte, Spotify führe zu einer „Scheiß-Aldi-Mentalität im Kulturbereich“ – der Vorstellung, dass Musik immer überall gratis zu haben sei. Ganz schön viel Hass damals.
Der ist jetzt begraben – zumindest bei den beiden Moderatoren. Gratis wird es ihr neue Sendung bei Spotify wohl auch nicht geben. Nur wer monatlich zahlt, soll sie hören können. Tschüss, große HörerInnenschaft. Hallo, Exklusivpublikum.
Spotify muss dafür viel Geld hingelegt haben. Es sei ein Angebot gewesen, das man nicht habe ausschlagen können, soll Böhmermann dem rbb gesagt haben. Und wer will schon noch von „Scheißplattform“ sprechen, wenn ebenjene einem das Quatschen vergoldet?!
Bigott daran ist auch, dass sich die beiden Moderatoren jahrelang als die Underdogs gefeiert haben, die nicht des Geldes wegen vor dem Mikro säßen, sondern des Spaßes wegen. Olli Schulz erzählte am vergangenen Sonntag in der WDR-Sendung „Zimmer frei“ etwas verlegen, dass er schon so viele Angebote in seinem Leben abgelehnt habe, weil er nicht hinter ihnen stand. Den Deal mit der riesigen Plattenfirma und dem großen Vorschuss zum Beispiel. Oder die Samstagabendshow. Er sei eben „kompromisslos“. Seht her, schwang da mit, ich bin keiner, der für Geld alles macht. Nur scheint Spotify aus der Schulz’schen Kompromisslosigkeit irgendwie ausgenommen zu sein.
Und Böhmermann? Der hat von seinem Lehrer Harald Schmidt ja gelernt, wie man geschickt zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Privaten hin und her wechselt. Für den Gehaltszettel haben sich diese Wechsel damals für Schmidt gelohnt, für die Zuschauerzahlen eher weniger: Seit Schmidt bei Sky verschwand, dümpelten die Quoten in Untiefen herum. Könnte Schulz und Böhmermann bei Spotify auch passieren. Böhmermann würde daraus eine Pointe stricken. Haha.
Anne Fromm
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