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Geht er oder bleibt er: Hans Kresnik

■ „Wenn die Voraussetzungen nicht stimmen“ geht Bremens Tanztheater nach Berlin, beispielsweise

Hans Kresnik und Intendant Richter

Hans Kresniks Tanztheater ist die eine feste Säule des Bremer Theaters, dessen Musiktheater sich mit Mühe und Spielplanseltenheiten im Mittelfeld hält, was man vom Schauspiel gern behaupten können würde. Für Kresnik stehen die Zuschauer Schlange, um das Gruseln zu lernen, Kresnik provoziert mit „Ulrike Meinhof“ Bombendrohung, Mäzenatenliebesentzug und standing ovations, Kresniks Truppe kommt gerade von den Berliner Theaterwochen und geht mit dem altneuen „Familiendialog“ und „Macbeth“ auf das Holland -Festival in Amsterdam, Kresnik ist gerade mit dem „Theaterpreis Berlin 1990“ (30.000 Mark) ausgezeichnet worden. Hans Kresniks Ensemble, von Generalintendant Tobias Richter 1989 nach Bremen geholt und bis 1991 unter Vertrag, verläßt die Stadt und geht nach Berlin. Pfeifen die Theaterspatzen.

„Stimmt das, Sie gehen nach Berlin?“ Hans Kresnik, in Hei delberg am Telefon erwischt, sagt nicht ja, sagt erst recht nicht nein. Er sagt, daß er sich nach den bestmöglichen Bedingungen für die Gruppe“ entscheiden wird und daß seine Leute im Augenblick in Bremen „unheimlich viel zu tun“ haben und zu wenig verdienen. Das demonstrieren die Tänzerinnen vor dem Meinhofstück, wo sie einzeln vortreten und ihre Gehälter sagen. Brutto in den 3000ern, Netto bleiben manchmal 2.100. An der „Deutschen Oper“ in Berlin, bekommen die TänzerInnen 4.300, sagt Kresnik, (brutto, meint er vermutlich.)

Geht er nach Berlin? „Es gibt da ein Angebot,“ sagt er. „Von der Deutschen Oper?“ „Nein, da ist eine ganz eigenständige Lösung im Gespräch.“ Aber diese Lösung ist nicht die einzig mögliche. „Es gibt auch größere Häuser, die die ganze Gruppe haben wollen.“ Wie? Würde er auch mit einem Teil des 38-beinigen Ensembles gehen? Nein, „Ich bin nur mit der Gruppe verkaufbar.“ Tut ihm das nicht leid, so schnell von Bremen weg, wo er grad eine Foto: Fotoforum

Spielzeit da ist? „Ich habe nichts gegen eine Verlängerung, nur die

Voraussetzungen müssen stimmen.“ Spielt bei den Voraussetzungen das spannungsreiche Klima am Bremer Theater ein Rolle? Nein, überhaupt nicht, da hat er sich nie drum gekümmert. Eine Rolle spielt das Geld für die Gruppe, das Geld für einzelne Inszenierungen, und anständige Probenräume. Angesichts der leeren Bremer Kassen ist er skeptisch.

Und das Ensemble? Der einzige, den ich erreiche, der Argentinier Roberto Giovannetti, will - er spricht da nur für sich - nicht weg aus Bremen. Er findet es viel interessanter hier als in Heidelberg. Da hat er in acht Jahren nie mal einen Arbeiter getroffen, nur immer Studenten und Akademiker, hier kann er plötzlich auch mal mit einer Krankenschwester reden, „es ist wie die Welt, es gibt hier alle Möglichkeiten.“

Und der Generalintendant Tobias Richter? Der sagt, so straks gefragt, erwartungsgemäß, daß Kresnik Angebote hat solange er ihn kennt, daß aber da im Augenblick nichts im Gange ist, „jeden

falls nicht, daß ich wüßte.“ - Ich bedauere, dann nicht mehr fragen zu können, wie er Kresniks Weggang verhindern will.

Natürlich verhandle er mit Kresnik, sagt der Richter, aber darüber gebe er eh keine Auskunft. - Worüber aber verhandelt der Generalintendant, wenn Kresnik gar nicht gehen will? Wieder falsch verstanden. Tobias Richter habe nicht gesagt, daß Kresnik gehen wolle oder nicht, nur, daß er über die Gespräche, die mit ihm anstehen, keine Auskunft geben will.

Ich verrate ein Geheimnis: Es gehe um mehr Geld für die Gruppe, sage Kresnik. Der Generalintendant staunt: „Ach“. Ja. Frage: Hat der Generalintendant einen finanziellen Verhandlungsspielraum? - Nun, eigentlich entsprächen die Verdienste des Tanzensembles den Möglichkeiten des Hauses, aber, wenn man neu verhandle, „dann ist das sicher ein Thema, wo man auch reden muß.“ Mögen diese Gespräche weniger mäandern als es dem unseren beschieden war.

Uta Stolle

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