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Geheimauftrag: Deutsches Gemüt

■ In dem Dokumentarfilm „Deckname Dennis“sieht man die merkwürdigen Deutschen, zwischen Gartenzwergen und Neuen Rechten, mit den Augen eines amerikanischen Journalisten. Regisseur Thomas Frickel sprach mit der taz

Einer der witzigsten deutschen Filme der letzten Zeit ist keine von den verdächtig erfolgreichen Komödien, sondern ein Dokumentarfilm. In „Deckname Dennis“sehen wir unsere Landsleute mit den erstaunten Augen eines übergewichtigen Amerikaners, der sich möglichst extreme Teutonen vor seine Kamera holt. Zum einen werden da alle deutschen Klischees vom Gartenzwerg über die Kuckucksuhr bis zur Bratwurst verbraten. Zum anderen fragt Dennis scheinbar ganz naiv viele politische Wirrköpfe, wie es denn nun zugeht in unserem Ländle.

taz: Für die Puristen des Dokumentarfilms haben Sie ja eine schlimme Sünde begangen, indem Sie Fiktion und Realität mischen. Für den Zuschauer zerstören Sie dann aber auch bei erster Gelegenheit die Illusion von dem Geheimauftrag. Haben Sie statt dessen nicht Ihre Interviewpartner beschummelt, die doch offensichtlich glaubten, einem amerikanischen Journalisten ein Interview für das amerikanische Fernsehen zu geben?

Frickel: Diese Fiktion, daß da ein amerikanischer Geheimagent fünfzig Jahre nach Kriegsende herausfinden soll, wie die Deutschen so drauf sind, stammt von dem Kabarettisten Matthias Beltz, der mir beim Drehbuch geholfen hat. Durch sie bekommt der Film solch ein konspiratives Image, und so hat der Zuschauer einen ganz anderen Blick auf die einzelnen Szenen. Daß er ein amerikanischer Journalist ist, war sicher von Vorteil, wenn es darum ging, die Leute zum Reden zu bringen. Gerade im rechten Spektrum hatten wir einige Leute, die sagten, deutschen Medien geben wir keine Interviews, und jeder deutsche Journalist hätte ja zum Beispiel mit dem ehemaligen NPD-Vorsitzenden Deckert angefangen zu diskutieren, während Dennis erstmal nur neugierig ist. Und das ist ja das eigentlich Dokumentarische an diesem Film, daß man hingeht und zuhört. Und da diesen Wirrköpfen sonst kaum jemand zuhört, sie aber ein unendliches Mitteilungsbedürfnis haben, sind sie dann sehr gesprächig. Aber wir haben ihnen ja insofern keinen Bären aufgebunden, als Dennis Mascarenas tatsächlich ein amerkanischer Journalist ist, der sich für diese Aufgabe nicht einmal umzuziehen brauchte.

Aber werden sich jetzt nicht doch einige der Mitwirkenden darüber wundern, daß sie plötzlich in einem deutschen Dokumentarfilm auftauchen?

Gerade gestern habe ich von einem gehört, der sich gewundert hat. Und zwar ist das der Norbert Geis, bekanntlich der rechtspolitische Sprecher der CDU, der in einem Interview etwas konsterniert sagte, er habe doch nur einem amerikanischen Reporter ein Interview gegeben. Wobei sich aber schon deswegen niemand beschweren kann, weil wir ja in das Material nicht entstellend eingegriffen haben. Ich habe da gute Rechtsberater, die sich den Film am Schneidetisch angesehen haben und dann ihr ok dazu gaben. Ich glaube, daß jeder in diesem Film die Möglichkeit hat, sich so darzustellen, wie er sich selbst oder sein Anliegen sieht, und viele hatten halt das Bedürfnis, sich nicht nur dar-, sondern auch bloßzustellen, und nutzten dies auch weidlich.

Was war als Impuls als erstes da, die politischen Wirrköpfe oder die Gartenzwerge?

Die Triebfeder war schon, einen Film über das rechte Spektrum zu machen. Vor vier Jahren gab es ja diese Auseinandersetzung über den Film „Beruf Neonazi“, dem vorgeworfen wurde, daß er affirmativ wirkt, also die Haltung, die er darstellt, dadurch bestärkt, daß er sie zu wenig bricht. Und ich wollte nun einen Film machen, in dem sie selber zu Worte kommen, der dadurch aber selber keine Eigendynamik in diese Richtung bekommt. Deshalb hatte ich die Idee, das mehr in Richtung Kabarett zu machen, und deswegen habe ich dann auch den Matthias Belz angesprochen.

In welchem Umfang hat denn Dennis nun wirklich den Film gemacht? Wenn man ihn sich ganz naiv ansieht, kann man sich ja fragen, was Sie als Regisseur da überhaupt in Ihrem Film zu suchen haben.

Wir saßen halt ein Jahr lang auf Abruf auf der Lauer, und immer, wenn wir von einem für das Projekt vielversprechenden Termin erfuhren, sind wir hingefahren. Wenn in der Zeitung stand, morgen werden in Leipzig die Haustiere der Stasi versteigert, sind wir mit dem wilden Entschluß aufgebrochen, dort die Goldfische vom Mielke zu ersteigern. Und so spontan ist der Film entstanden, und oft war Dennis in der Situation ganz auf sich selbst gestellt. Und dann kamen Fragen von ihm, wo ich sagen mußte „hoppla“. Die waren gut und die waren treffend, und niemand außer einem Amerikaner hätte es sich erlauben können, etwa beim Fackelzug der korporierten Studenten zu fragen, ob sie außer ihren Fackeln auch Bücher verbrennen.

Im Abspann des Films taucht unter denen, die Dennis knapp entkommen sind, auch die „Veganische Volksküche Bremen“auf. Haben Sie auch bei denen gedreht?

Wir hatten den Film ursprünglich so aufgebaut, daß wir möglichst gegensätzliche Positionen zeigten, und nach einem Termin bei der Fleischerinnung, bei dem uns genau erklärt wurde, wie man die Schwarte so zerhackt, daß sie in einen Schwartenmagen paßt, waren wir auch hier bei den Veganern. Aber wir mußten halt viel rausschneiden, denn wir hatten 30 Mal soviel Material wie jetzt vorkommt. Und das war auch nicht einfach bei denen, die sind oft sehr unfreundlich in der autonomen Szene.

Wilfried Hippen

Cinema, täglich um 19 Uhr

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