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Gegen die westliche Optik

■ Sommertheater: Deutsche Erstaufführung von „File 0“ der chinesischen Theatergruppe „Xi Ju Che Jian“

Wie so oft ist der Aufbruch von einem Begräbnis begleitet. Den Tod der Peking-Oper verkündete der chinesische Regisseur Mou Sen 1994 – eine Zustandsbeschreibung der chinesischen Theaterlandschaft von einem, der es besser machen will. Ein realistisches, aufs Individuum konzentriertes Theater ist das Ziel seiner Arbeit mit der Gruppe Xi Ju Che Jian, so Mou Sen.

Um dem europäischen Klischee, man könne China auf ein rein politisches Phänomen reduzieren, entgegenzuarbeiten, haben Mou Sen und seine Gruppe ein völlig neues Theater entwickelt. Cheung Fai, Producer dieser ersten freien und experimentellen Theatergruppe Chinas, stellt gestern das Stück File 0 vor, mit dem die Gruppe ab heute beim Sommertheater gastiert. File 0, 1994 in Brüssel zum ersten Mal in Europa aufgeführt, erzählt den Lebenslauf eines dreißigjährigen Mannes, dessen Vita bürokratisch in einer Akte (“file“) festgehalten wird. Die „0“ steht für jedermann.

Trotz immer wieder unterstellter Bezüge zur aktuellen chinesischen Realität wies Cheung bei der gestrigen Pressekonferenz auf die Universalität des Themas hin: „Es existiert überall, zu allen Zeiten von Gesetz, Beschränkungen oder kulturellen Traditionen“ – auch im Westen, wo nur wenige China von einer kulturellen Perspektive betrachteten.

Das Ensemble von Xi Ju Che Jian besteht größtenteils aus bühnenunerfahrenen Künstlern, die beruflich in anderen Sparten beschäftigt sind und gratis spielen. Aufführungen in China finden nur in kleinstem Raume statt. Geworben werden darf nur mündlich, Kasseneinnahmen fehlen.

„Wir vertrauen auf internationale Spenden“, beschrieb Cheung das Dilemma einer international erfolgreichen Theatergruppe, die durch ihr Herkunftsland nicht touren kann. Allerdings werde die Truppe nicht zensiert, weil ihr Medium im Gegensatz zu Buch oder Film kein Millionenpublikum erreichen kann. Dementsprechend wurde Yu Jian, dem Autor des dem Stück zugrundeliegenden Gedichts File 0, 1994 die Ausreise zur europäischen Premiere nach Brüssel verwehrt.

„Die Kritiker betonen immer nur den Kontext, nie die Künstler“, bemängelte Cheung dann auch noch einmal die westliche Optik. „Es gefällt ihnen, aber aus den falschen Gründen.“

Folke Havekost

Heute, 20.30 Uhr; Mi bis Sa, 21.30 Uhr: K 1

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