Gegen die Kaffeebecher-Flut: Mehrweg rollt durch Berlin

Mit Geld vom Senat soll ein privater Dienstleister ein „Poolsystem“ für wieder­verwendbare Kaffeebecher aufbauen – entlang zweier zentraler Bahnlinien.

Weggeworfene To-go-Becher

Ein Schreckensbild, das bald vergangenen Zeiten angehören soll Foto: dpa

Die Senatsumweltverwaltung beschreitet neue Wege im Kampf gegen die Einwegbecherflut: Ab Herbst soll mit finanzieller Förderung durch das Land ein räumlich begrenztes Poolsystem für Mehrwegbecher aufgebaut werden. Diese können dann bei den teilnehmenden Cafés, Kiosken oder Bäckereifilialen gegen Pfand erworben und nach Benutzung bei jeder anderen Ausgabestelle zurückgegeben werden. Auch Pfand­automaten könnten Teil des Systems sein. Derzeit läuft eine Ausschreibung, bis zum 4. September soll die Entscheidung für einen Dienstleister fallen.

Dass Einwegbecher ein ökologisches Problem sind, ist schon vor einigen Jahren ins öffentliche Bewusstsein vorgedrungen. Nach Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) wandern bundesweit Jahr für Jahr 2,8 Milliarden Becher für Heißgetränke nach einmaliger Benutzung in den Müll. Nicht nur benötigt die Herstellung der Kurzzeitbehälter laut DUH Zehntausende Tonnen Holz und Kunststoff, Milliarden Liter Wasser und die ansonsten von einer Kleinstadt verbrauchte Energiemenge. Die Becher landen auch oft in Grünflächen oder verstopfen Mülleimer und sorgen damit für ein Abfallproblem vor Ort.

Die rot-rot-grüne Mehrheit im Abgeordnetenhaus hatte deshalb im Mai 2017 den Senat aufgefordert zu prüfen, wie sich ein berlinweit nutzbarer Mehrwegpfandbecher einführen ließe. Damals gab es mit Anbietern wie „recup“ bereits privatwirtschaftliche Anläufe in der Stadt. Aufgrund rechtlicher Bedenken wollte die Umweltverwaltung jedoch keinen Dienstleister bevorzugen und beließ es vorerst bei der Kampagne „Better World Cup“. Dabei ermöglichen vor allem große Filialisten ihren KundInnen, ihren Kaffee in einen selbst mitgebrachten Becher füllen zu lassen. Dar­über, wie umfassend dieses Angebot genutzt wird, liegen keine Zahlen vor – Beobachtungen im Alltag legen nahe, dass herzlich wenig Gebrauch davon gemacht wird.

Jetzt will die Verwaltung von Senatorin Regine Günther (mittlerweile Grüne) mit der zweijährigen Förderung eines Poolsystems einen Gang höher schalten. Die Ausschreibung auf der Onlinevergabeplattform des Landes trägt einen ziemlich komplizierten Titel: „Dienstleistungskonzession für einen Konzessionär für die Errichtung eines Probeprojektes für ein Mehrwegbecherpoolsystem in ausgewählten Bereichen von Berlin“. Wobei es sich nicht um eine Konzession im Sinne einer exklusiven Zulassung handelt, wie Günthers Sprecherin Dorothee Winden bestätigt: Prinzipiell können auch andere Poolsystem- Anbieter im Ausschreibungsgebiet tätig sein.

Eintritt: Vielleicht ist es Ihnen ja schon beim Lesen des Artikels aufgefallen: Die Zeit der Parteilosigkeit ist vorbei! „Hurra, unsere Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz @RegineGuenther ist jetzt auch Mitglied bei @gruene_berlin“, twitterte deren Chefin Nina Stahr Ende vergangener Woche, und Günther selbst schrieb, sie freue sich sehr auf die „gemeinsame Arbeit zum Wohle unserer Stadt. Viel erreicht, noch viel vor.“ Grünes Herz-Emoji. Am meisten aber freuen wir JournalistInnen uns, denn Erklärkonstruktionen wie „(parteilos, für Grüne)“ konterkarieren eindeutig das Effizienz­gebot beim Schreiben.

Dieses Gebiet, das zur Keimzelle eines berlinweiten Systems werden könnte, ist nur grob umrissen: Es handelt sich um das Umfeld der U-Bahn-Linie U2 (Ruhleben–Pankow) und der Stadtbahn zwischen West- und Ostkreuz. Der Dienstleister, der den Zuschlag erhält, soll im Dunstkreis dieser Strecken Anbieter von Heißgetränken für die Teilnahme am Becher-Pooling werben. Ob am Ende tatsächlich der Bahnsteigkiosk am Zoologischen Garten den Becher zurücknimmt, den die Kundin vorher in den Schönhauser Allee Arcaden mitgenommen hat, ist also nicht garantiert. Damit das System jedoch so lückenlos wie möglich wird, will die Senatsverwaltung die Einführung mit bis zu 100.000 Euro pro Jahr und durch Öffentlichkeitsarbeit unterstützen.

Bedingung für die Vergabe ist ein umfassendes Konzept, vor allem was das Spülen der Mehrwegbecher, ihre Verteilung an die Ausgabestellen und die Erstattung von ausgegebenem Pfandgeld angeht. Mitreden kann der Senat unter anderem beim Design der Becher, dafür hilft er bei der Suche nach Sponsoren. Wenn die Förderung nach zwei Jahren endet, kann und soll der Anbieter weitermachen. „Teil der Bewertungskriterien sind Aussagen der Bietenden zur Wahrscheinlichkeit einer Fortführung und zur möglichen Ausweitung des Systems nach Ende des Ausschreibungszeitraums“, erklärt Sprecherin Winden. Aber auch Sparsamkeit kann sich auszahlen: Angebote, die das Maximum an finanzieller Unterstützung nicht ausschöpfen, haben bessere Chancen.

Ins Rennen geht nach eigenen Angaben auch „recup“ als derzeit größter Pool-Player in Berlin. Das Unternehmen, das in mehreren deutschen Städten aktiv ist und gerade in Stuttgart eine ähnliche Ausschreibung gewonnen hat, konnte laut Geschäftsführer Fabian Eckert schon rund 300 Teilnehmer für sein System gewinnen, Tendenz steigend.

Ob „recup“ den Zuschlag bekommt oder nicht: „Wenn die Stadt bei der Einrichtung eines Systems mitgeht, hat man in jedem Fall größere Erfolgschancen“, sagt Eckert. Auch wenn sich „recup“ sehr gut entwickele, sei es immer mit viel Arbeit verbunden, neue Teilnehmer an Bord zu holen.

„Nice“, tweetete der Grünen-Abgeordnete Georg Kössler anlässlich der Ausschreibung durch die Senatsverwaltung, schließlich habe „nicht jedeR einen eigenen Mehrwegbecher“. Der taz gegenüber sagte der Fraktionssprecher für Klima- und Umweltschutz, er halte den Schritt für einen „guten Anfang“. Allerdings schwebt ihm noch etwas anderes vor: „Wir brauchen eine Einwegbecher-Steuer.“ Ein solches In­strument sei nach Prüfung durch die DUH durchaus rechtssicher und würde schon bei 10 Cent pro Becher viele Millionen in die Kassen spülen. „Dafür könnten wir tolle Projekte finanzieren – zum Beispiel ein berlinweites Poolsystem.“

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