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■ Gunnar Myrdal gestorbenGegen Modellplatonismus

Der schwedische Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Gunnar Myrdal ist am Sonntag im Alter von 88 Jahren gestorben. Den Nobelpreis für sein Fachgebiet erhielt er 1974 zwar für Arbeiten auf dem Gebiet der Geld– und Konjunkturtheorie. Einen Namen gemacht hatte sich Myrdal allerdings als Theoretiker der Entwicklungspolitik. Er prägte in den ersten Jahrzehnten der Nachkriegszeit wesentlich die Szene, die die Politik der Industriestaaten gegenüber ihren ehemaligen Kolonien kritisch betrachtete. Als Mitglied der Kommission des „20. Century Fund“ gab er in den 50er Jahren ein 2.500–Seiten starkes Standardwerk heraus, das zumindest bis dahin beispiellos war: „The Asian Drama“ war „die“ grundlegende historisch–materialistische Analyse der Unterentwicklung. Damit, sowie mit seinem Politischen Manifest über die Armut in der Welt beeinflußte er letzten Endes auch die noch reichlich optimistische Entwicklungspolitik der Ära Eppler und Co. mit: Der Grundstein für die Grundbedürfnisorientierung in der Entwicklungspolitik war gelegt. Allerdings mahnte Myrdal bereits seinerzeit, daß rein quantitative Ziele in der Entwicklungspolitik, z.B. der Beschluß, 0,7 Prozent des Volkseinkommens dafür aufzuwenden, nichts einbrächten. Die Grundlage für seine Analyse des Nord–Süd–Verhältnisses lag für Myrdal auch in seiner wissenschaftstheoretischen Arbeit. In seinem Buch „Politische Elemente in der wirtschaftlichen Doktrinbildung“ griff er seine gesamte Branche an und überführte sie der speziellen Liebe zu theoretischen Großgebilden, des „Modellplatonismus“. 1970 erhielt er zusammen mit seiner Frau Alva den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Von 1945–47 auch als schwedischer Handelsminister tätig, war der Professor für Wirtschaftspolitik und Finanzwissenschaften nicht zuletzt auch mitverantwortlich dafür, daß sein Heimatland zu den Industriestaaten gehört, in denen Ansätze zur Solidarität gegenüber der Dritten Welt noch am ehesten sichtbar sind. Auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik machte Myrdal zuletzt Anfang der 80er Jahre auf sich aufmerksam, als er in einem erneuten Manifest jegliche Entwicklungshilfe als schädlich für die Dritte Welt ablehnte, eine Denkrichtung, womit er auch Brigitte Erler und ihr Buch „Tödliche Hilfe“ beeinflußt haben dürfte. ulk

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