■ Kommentar: Gegen-Druck
Darf die das? In diesen Zeiten? Wo doch alle der Meinung sind, daß man den Gürtel gefälligst enger zu zurren habe, daß es nichts mehr zu verteilen gibt in diesem Land? Daß man sich derzeit gefälligst darüber zu freuen hat, wenn man überhaupt einen Arbeitsplatz hat? Darf die IG Medien da einfach „ausscheren aus der Phalanx der Einsichtigen“, wie es Springers Abendblatt ketzerisch formuliert?
Vielleicht sollte man sich gerade in Hamburg nicht allzusehr darüber wundern, daß die Beschäftigten in der Druckindustrie den herrschenden Tarif-Diskurs durchbrechen und sich nicht mit der Verteidigung des Status quo begnügen und schon gar keine Abstriche hinnehmen wollen. Schließlich beweisen die hier ansässigen Groß-Verlage nicht nur mit aberwitzigen Abfindungssummen für geschaßte Vorstände und Chefredakteure, daß in der Medien-Industrie im Informations-Zeitalter natürlich andere Maßstäbe anzulegen sind als bei den Metallern oder auch im öffentlichen Dienst.
Der Markt boomt trotz Rezession, wenn auch nicht mehr so stark wie in den Zeiten der Extra-Einheitsgewinne. Daß es den Verlagen vergleichsweise gold geht, läßt sich in den Bilanzen nachlesen. Die Verlage investieren riesige Summen in neue Gebäude, neue Zeitungs-Projekte, neue Spielfilm-Abspielstationen. Daß die Medien-Arbeitgeber dennoch die Rezessions-Stimmung nutzen wollen, um den neuen Manteltarif-Vertrag möglichst zu ihren Gunsten auszugestalten - geschenkt. Gehört dazu.
Daß Gewerkschafter und Arbeitnehmer sich das nicht gefallen lassen wollen allerdings auch. Gerade in diesen Zeiten. Gerade in der Medien-Hauptstadt Hamburg. Uli Exner
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