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Gegen Armut und Apartheid

■ Erste schwarze Bürgermeisterin aus dem namibischen Tsumeb besuchte Bremen

Susan Nghidinwa ist eine Ausnahmeerscheinung. Wenn die kleine Frau aus ihrer Heimat Namibia erzählt, ahnt man etwas von ihren Leistungen für die Befreiung ihres Landes und für die Befreiung der Frauen. Denn auch vier Jahre nach der Selbständigkeit ist aus der politischen Freiheit in Namibia längst noch keine wirtschaftliche Unabhängigkeit geworden – und eine Gleichstellung der Frauen erst recht nicht. „95 Prozent der Männer denken immer noch, daß die Frauen ihres Sklavinnen sind“, meint Nghidinwa, die aus Anlaß der Namibia-Woche in Bremen war.

Das Leben der Lehrerin und SWAPO-Kämpferin ist ein langer Kampf gegen politische Unterdrückung, Apartheid und Entrechtung der Frauen. Mit ihren sieben Kindern floh sie 1974 aus dem damaligen „Südwest-Afrika“, baute aus dem Nichts ein Erziehungssystem für Flüchtlinge im sambischen Exil auf und wurde eine der ganz wenigen Frauen in der Befreiungsbewegung SWAPO, auf deren Stimme gehört wird. Nach 15 Jahren Exil kehrte sie 1989 ins befreite Namibia zurück – und legte sich gleich wieder mit patriarchalischen Traditionen und der Denkfaulheit der Männer an. Letztes Jahr war die energische Susan Nghidinwa die erste schwarze Frau, die zur Bürgermeisterin der Minenstadt Tsumeb gewählt wurde.

Vor vier Jahren blickte die Welt auf Namibia: Deutsche Polizisten überwachten als UNO-Blauhelme die ersten freien Wahlen und den friedlichen Übergang zur Demokratie. Heute ist das Interesse der Weltöffentlichkeit längst geschwunden, die Euphorie im Land verflogen und Namibia steht vor den Mühen des Alltags: Vor allem der Aufbau einer stabilen Wirtschaft ist wichtig, sagt Susan Nghidinwa: „Wir haben in Namibia keine einzige Fabrik, alles kommt aus Südafrika.“ Die große Minenanlage in ihrer Stadt Tsumeb im Norden des Landes wird zum Jahresende geschlossen, weil das gesamte Kupfer abgebaut ist; 3.500 Bergleute werden in der 22.000 Einwohner-Stadt dann auf der Straße stehen. „Wir versuchen, Investoren ins Land zu bekommen, es gibt Pläne für Holzkohlefabriken, Tomatenzucht oder Brauereien. Wir können uns die Investoren nicht aussuchen.“ Noch sei Namibia ein „Bettler“, noch brauche das Land Unterstützung durch Wirtschaft, Bildung und Austausch. „Bremen sollte sich weiterhin seiner Verantwortung für Namibia bewußt sein“, sagt Nghidinwa. Neben der materiellen Hilfe, die sie auch von der „Praktischen Solidarität von Volk zu Volk“ aus Bremen bekommen haben, findet sie vor allem die Erweiterung der Horizonte wichtig: „Bei uns gibt es kaum Feuerholz. Jetzt erst erzählt man uns von der Möglichkeit, auf einem Solarofen zu kochen.“

Die offizielle Apartheid in Namibia ist abgeschafft, auf dem Papier sind die Menschen gleich. Doch die weiße Oberschicht setzt die Apartheid mit finanziellen Mitteln fort: Der vormals „nur weiße“ Club in Tsumeb ist zwar theoretisch offen für alle – aber die schwarzen Arbeiter kostet das Bier einen Tageslohn. Und auch Schulen sind nicht offiziell geteilt – sie sondern über das Schulgeld die ärmeren Schwarzen aus. In dieser Situation war Susan Nghidinwa ein Jahr lang Bürgermeisterin des Ortes. Dann trat sie von dem Posten zurück, um einem weißen Politiker das Amt zu überlassen: Morgan Smit hatte sich für die Aufhebung der Apartheid in den Schulen eingesetzt, eine Aktion, die in Tsumeb lebensgefährlich sein kann.

„Die Frauen Namibias haben Angst, aufzustehen und öffentlich zu reden, obwohl sie jetzt das Recht dazu haben“, sagt die Politikerin. Sie will anderen ein Beispiel dafür geben, sich von den Männern nicht unterbuttern zu lassen. „In den Flüchtlingscamps waren die Männer alle an der Front und wir mußten alles selbst machen. Wir haben gemerkt, daß wir es genauso gut können.“ Nach dem Tod ihres Mannes in Namibia wollten die Alten des Dorfes ihr traditionell ihr Land wegnehmen. „Ihr macht wohl Witze“, habe sie denen gesagt, „da habt Ihr Euch die falsche Person ausgesucht.“ Sie gewann den Kampf gegen die Tradition und behielt ihr Land. Doch sie ist die Ausnahme: „85 Prozent der Frauen bei uns denken, daß es richtig ist, wenn ihnen ihr Eigentum aus Tradition weggenommen wird.“ Ende des Jahres soll das namibische „Familiengesetz“ verabschiedet werden, das die Frauenrechte in der Verfassung betont. „Aber die gleichen SWAPO-Führer, die das verabschieden, behandeln zuhause ihre eigenen Frauen schlecht wie immer“, sagt Susan Nghidiwna. bpo

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