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Gefrorene Heimat

■ Die Autorin Libuse Monikova liest heute abend im Literaturhaus

liest heute abend im Literaturhaus

Wie schon in ihrem preisgekrönten Roman Die Fassade steht auch in Libuse Monikovas jüngster Buchveröffentlichung mit dem Titel Treibeis ihre Heimat, die Tschechoslowakei, im Mittelpunkt. Während jedoch in Die Fassade ihre Akteure nach einer abenteuerlichen Irrfahrt durch Sibirien relativ wohlbehalten nach Böhmen zurückkehren, können sie in ihrem neuen Roman Treibeis das Land nur von außen betrachten.

Der Protagonist Jan Prantl lebt schon seit vielen Jahren im Exil. Als Jugendlicher aus dem besetzten Prag geflohen, kam er als Fallschirmspringer der Royal Airforce in seine Heimat zurück, schloß sich dem Widerstand an und mußte nach der Gründung der sozialistischen tschechischen Republik erneut das Land verlassen, weil er im falschen Exil gewesen war und somit auch am falschen Widerstand teilgenommen hatte. Nach einigen Jahren in London erwirbt er durch Heirat die dänische Staatsbürgerschaft und lebt, so die Ausgangssituation des Romans, auf Grönland, wo er als Lehrer an einer dänischen Missionsschule jugendliche Inuit unterrichtet.

Von dort aus wird er zu einem Pädagogenkongreß nach Österreich delegiert, wo er unter abenteuerlichen Umständen Karla kennenlernt, auch eine Tschechin im Exil, die 1968 als junge Studentin Prag verlassen hat und sich im Westen als Stuntfrau durchschlägt. Sie verlieben sich ineinander und wandern ein paar Tage zusammen an der tschechischen Grenze entlang durch die österreichischen Wälder.

So unterschiedlich die beiden auch sind, es verbindet sie die Erfahrung, außerhalb des Landes leben zu müssen, das beide immer noch lieben und in dessen ereignisreicher Geschichte sie tief verwurzelt sind. Sie erzählen einander diese Geschichte, die Mythen, die mit ihr verwoben sind, und sie erzählen sich gegenseitig „ihr“ Prag, die Straßen, die Plätze, die Kinos, die Filme ihrer Jugend.

Zwischendurch liefern sich auf dem Pädagogenkongreß die westdeutschen und die sowjetischen Delegierten erbitterte Auseinandersetzungen um den Stellenwert Makarenkos, zwei britische Pädagogen durchkämmen in bester Geheimdienstmanier die umliegenden Dörfer auf der Suche nach einem Notizbuch von Wittgenstein, und alle sind enttäuscht darüber, daß sich der Abgesandte Grönlands als Tscheche entpuppt hat. Ein vielleicht nicht ganz normales Leben tobt, wohingehen es scheint, als sei für Jan und Karla das Leben im Exil eingefroren, unwichtig geworden.

Libuse Monikova hat einen Roman über Exil geschrieben; einen sehr komplexen, teils skurrilen, teils unendlich traurigen Roman. Ein Buch, das dem Leser manchmal Geduld abverlangt und ihn hoffen lassen mag, er besäße größere Kenntnisse der tschechischen Geschichte, das aber wie kaum ein anderes vermittelt, was es heißt, mit dem Trauma Exil leben zu müssen.

Die Schriftstellerin hat 1971 die Tschechoslowakei verlassen und lebt in Berlin. Ihre Romane und Erzählungen schreibt sie auf Deutsch, in der Sprache ihres Exillandes. Sophie Mandel

Libuse Monikova: „Treibeis“, Hanser Verlag, München, 234 S., 36 Mark

Lesung: heute, 20 Uhr, Literaturhaus; Einführung und Gespräch: Roland Wiegenstein

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