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Geflüchtete und DrogenverkaufRosa Zone aufgemalt

Ein Parkmanager in Berlin hatte eine unkonventionelle Idee, Dealer und Spaziergänger von einander abzugrenzen. Dann kamen die Medien.

Sorgten für Aufregung: Markierung von „Stellplätzen“ für Dealer im Görlitzer Park in Berlin Foto: dpa

Berlin taz | Mit rosa Farbe hat Cengiz Demirci im Eingang des Görlitzer Parks Rechtecke auf den Asphalt gesprüht. Wie Kinderkrakeleien sehen die Zeichen aus. Kaum jemand hätte sie zur Kenntnis genommen – aber Demirci hat einen Fehler gemacht: Er hat die Striche einer Journalistin der Berliner „Abendschau“ gezeigt. Und nun kriegen sich die Medien kaum noch ein: Der Parkmanager des Görli weise Dealern markierte Stellplätze zu, so der Tenor. Und: Im Bezirk Kreuzberg werde der Verkauf von Drogen legalisiert.

Der 45-jährige Cengiz Demirci ist seit zweieinhalb Jahren Parkmanager des Görlitzer Parks. Der mitten in Kreuzberg gelegene Görli ist eine von Anwohnern und Touristen gleichermaßen frequentierte Grünanlage. Dass dort überall Cannabis zu haben ist, ist bekannt.

Angeboten wird das Gras vor allem von Geflüchteten aus Afrika, die sich auf diese Weise etwas zum Lebensunterhalt dazu verdienen. Konflikte untereinander aber auch mit Passanten, die sich von den Spalier stehenden Dealern bedrängt fühlen, bleiben nicht aus. Die rosa Markierungen von Cengiz waren sein Versuch, den Dealern auf informelle Weise bestimmte Stellplätze zuzuweisen, um den Durchgang auf den engen Wegen für die Passanten freizuhalten.

Streitschlichter mit Körpereinsatz

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte Cengiz Demirci 2016 eingestellt. Der 45-Jährige, Deutschlands erster Parkmanager, sollte für Ordnung sorgen. Unterstützt wird er von sechs Parkläufern, die zwischen 16 und 22 Uhr in Zweierteams im Park Streife laufen.

Demirci, nicht sehr groß, aber kräftig, hat türkische Wurzeln. Im Auswahlverfahren setzte sich der Soziologe, der auch mal in einem Fitnesstudio gearbeitet hatte, unter 75 Bewerbern durch. „Ich bin ein sehr bürgernaher Mensch, der vor Ort Lösungen sucht“, sagte er bei seinem Arbeitsbeginn. Die Autorin war Augenzeugin, als sich Demirci zwischen zwei Dealer warf, die mit Fäusten aufeinander losgingen.

Rechenschaftspflichtig ist er einem von Anwohnern initiierten Parkrat und dem Bezirksamt, seinem eigentlichen Vorgesetzten. Gleich nach seinem Amtsantritt bekam er einen Maulkorb. Ginge es nach ihm, würde er Toleranzzonen im Park einrichten, dann würden die Dealer nicht überall herumstehen, hatte er damals gesagt.

Die rosa Striche, die Demirci nun auf den Asphalt gemalt hat, passen zu diesem Satz. Die Krakeleien aber als Amtszeichen für die Zuweisung von Stellplätzen zu interpretieren, geht viel zu weit. Es war sein persönlicher Versuch, einigen Dealern aufzuzeigen, dass es besser wäre, hinter den Strichen zu bleiben, weil sich die Passanten dann nicht so bedrängt fühlen.

Im Park, in dem ihn alle Cengiz nennen, wird er wegen seiner hemdsärmeligen Art von vielen geschätzt. Auch, weil er die Dealer nicht in Bausch und Bogen verurteilt.

Verständnis für die Dealer

„Ich kann beide Seiten verstehen“, sagte Demirci mal zur taz. Die Dealer seien wirklich arme Leute. „Mir geht es auch um deren Würde. Sie stehen bei jedem Wetter im Park und werden diskriminiert.“ Rund 640 bis 720 Euro verdiene ein Drogenhändler im Park pro Monat. Aber davon bleibe ihm kaum etwas zum Leben. „250 Euro schickt er nach Hause nach Afrika, wo er 15.000 Dollar Schulden durch die Flucht hat.“ Unter den Flüchtlingen seien Illegale, die keine Sozialleistungen bekommen und etwa 400 Euro für ein unter der Hand vermietetes Bett zahlen müssten, aber auch Geflüchtete, die Asylbewerberleistung beziehen, aber nicht arbeiten dürften.

Das Bezirksamt gab angesichts des Mediendrucks am Donnerstag eine Klarstellung heraus: Der Vorstoß mit den farbigen Markierungen im Görlitzer Park sei mit dem Amt nicht abgestimmt gewesen, hieß es.

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16 Kommentare

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  • Sie dürften wohl der Einzige sein, der meinen Verweis auf das Elend auch auf Gelegenheitskiffer bezieht.

    • @APO Pluto:

      Ist für @Bakuninsbart unten, Freitag 12.45 bestimmt.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Geht mal unbegleitet in den Görli.



    Wenn nur Gras angeboten würde, ginge das ja noch. Es ist aber bei weitem nicht so.



    Verständnis für die Dealer?



    Es ist wie immer. Die Opfer, in diesem Fall die Drogenabhängigen ,interessieren nicht.



    Das ist absurd. Drogenverkauf ist nicht zu tolerieren. Punkt!

    • @98589 (Profil gelöscht):

      Gilt das auch für Alkoholike, Tabak und Kaffee?

      Drogenabhängige als Opfer der Dealer zu simplifizieren ist ja wohl sehr kurz gegriffen - die Ursachen liegen woanders.



      Und dass niemanden die Opfer interessieren stimmt auch nicht - aber wenn man den Drogenverkauf völlig verdrängt findet er unter übleren Bedingungen woanders statt.

  • Dermirci handelt pragmatisch und der Situation angemessen, auch wenn er nicht mit dem Amt gesprochen hat. Berlin lebt von den Touristen, von denen wollen viele Drogen kaufen. Also gibt es Dealer. Wer keine Dealer, bzw. das Problem verringern will, sollte den Jungs eine Ausbildungsperpektive organisieren. Die stehen nicht im Park herum, weil das so viel Spass macht.

    • @aujau:

      Im Lonely Planet,diversen anderen Reiseführern,aber auch in der Tzt steht,das man im Görli gutes Gras zu fairen Preisen erwerben kann.



      Also gehen die Touris in den Görli



      in den Reiseführern steht nämlich auch das Kundschaft von den Dealern an der Gedächtniskirche und am Alex verarscht oder gleich abgezogen wird

      • @Warhead:

        Ueberrascht mich gar nicht. Was mich nervt, ist die hysterisch- kurzsichtige Empörung über die Dealer bzw den Parklaeufer und das Beharren auf sinnloser Beschaeftigungstherapie für die Polizei. Das Problem besteht seit Jahren, besonders auch am Kotti, dort mit härterem Zeug und ohne Schwarze Dealer.

  • Bessere Unterstützung kann sich die Afd echt nicht wünschen. Ein rechtsfreier Raum hinter rosa Strich.



    Dann sollte man doch besser Dealen legalisieren, wenn man die Repression nicht schafft oder nicht schaffen will.

    • @Katzenberger:

      Ex-Innensenatordarsteller Henkel schickte die Bullen in den Park Tag für Tag,er veranlasste das Bäume abgesägt und Büsche rausgerupft wurden,damit verschwanden die Vögel,nicht die Dealer,die erweiterten zur Freude der Anwohner ihren Aktionsradius bis zur Oberbaumbrücke,später bis zum RAW-Gelände

  • Immer so ein Scheiss, auch die Karlruher Sozialgerichtsentscheidung www.leafly.de/sozi...ht-weist-klage-ab/ das ist doch alles Käse, legalisiert das Zeug einfach und gut ist. Die Vorteile liegen auf der Hand www.youtube.com/watch?v=J293DaiB88I

    • @BluesBrothers:

      WAS SOLL DENN ALLES "LEGLISIERT" WERDEN?

      • @Monika Frommel :

        Wenns nach mir ginge...alles,Drogenkompetenz sollte in der Schule gelehrt werden bevor due Experminente mit Badesalz losgehen

        • @Warhead:

          Fragen Sie mal eine Mutter, deren Kind an Drogen krepiert ist. Die sagt Ihnen genau, was legalisiert werden soll.

  • :`(

    Armer Herr Demirci ...

    & Dabei hatters doch nur Gut gemeint ...

    Wäre für die Polizei



    bestimmt viiiel zeitsparender so



    ihre Kunden zu erkennen ...

    ; )

  • Bei aller Sympathie für Cengiz Demirci Engagement die Situation zu entschärfen, für eine gute Idee halte ich es totzdem nicht.



    Der Hals schwillt aber an bei der Verharmlosung, die Dealer wollten sich nur etwas hinzuverdienen. Wer immer auch dieser Ansicht ist, für mich sind es Menschen, die aus dem Elend anderer Menschen noch Profit ziehen. Also den Kapitalisten gleich, denen wir es zu verdanken haben, dass es Not und Armut überhaupt erst gibt. Das gilt zumindest für die, welche nicht suchtkrank sind.

    • @APO Pluto:

      Also, bleiben wir doch mal alle auf dem Teppich.



      Ja, Drogendealer sind auch nur Arbeiter*innen im (Schatten-)Kapitalismus. Die Leute haben keine Sozialversicherung, bekommen keinen Mindestlohn, haben keinen Kündigungsschutz, Rentenanspruch usw. und arbeiten in der Regel dennoch in einem festangestellten Beschäftigungsverhältnis, in dem es meist auch noch zu Gewaltanwendung durch die Vorgesetzten und die Konkurrenz kommt. Den Job macht niemand gerne und niemand freiwillig.



      Aber solange wie der Bedarf da ist, wird sich einer oder eine finden, die Ihn deckt. Deswegen ist der einzige Weg um Drogendealer aus dem Görli zu verbannen, den Shit zu legalisieren und zwar nicht nur Weed und eine kontrollierte Abgabe/Verkauf einzurichten. Inkl. Inhaltsangaben, Qualitätskontrollen und Arbeitsschutz für die Beschäftigten einerseits. Und andererseits muss endlich schluß sein mit diskriminierenden Arbeitsverboten für Geflüchtete und Migrant*innen gleichermaßen. Wer hier lebt, soll gefälligst auch mit allen Rechten und Pflichten teil unserer Gesellschaft sein. Solange aber ganze Gesellschaftsschichten über Arbeitsverbote arm gehalten werden, werden die Dealer nicht aus den Parks und von den Straßenecken verschwinden, ganz egal wie viele Bullen da vorbei fahren und ganz egal, ob wir die Knäste bis zum bersten mit Kleinkriminellen füllen...

      Und wie Apo Pluto es tut, hier Drogenuser als Arme Opfer hinzustellen, gar Kranke darzustellen, die von Dealern nur ausgenutzt werden, greift auch viel zu kurz.



      Klar, wer richtig auf Shore klebt, hat keine andere Wahl mehr und befindet sich in einer eindeutigen Abhängigkeit, aber zwischen dem und Leuten, die alle paar Wochen mal nen Joint rauchen ist noch jede Menge Platz für Graustufen.



      Nicht jede*r Konsument*in ist abhängig und nicht jede*r Dealer*in ein rücksichtsloses Arschloch.

      P.s. Das alles gesagt, will ich hier mit nicht das Organisierte Verbrechen verharmlosen. Natürlich ist die Mafia mindestens genauso schlimm wie der VW-Vorstand.