Geflüchtete in der Türkei: Uiguren droht Auslieferung
Ungefähr 50.000 Uiguren sind aus China in die Türkei geflüchtet. Nun müssen viele Angst vor der Ratifizierung eines Auslieferungsabkommen haben.
Auch wenn die türkischen Medien den Demonstranten bislang wenig Aufmerksamkeit widmen – das Problem der Uiguren hat politische Sprengkraft in der Türkei. Die Uiguren gehören ethnisch zum turksprachigen Teil Zentralasiens. Sie sind eine Minderheit in China und viele von ihnen sind gläubige Muslime. Sie leben an der westlichen Grenze Chinas zu Kasachstan und Kirgisien. Die chinesische Führung betrachtet sie als Unsicherheitsfaktor. Die Aktionen einiger gewalttätiger Separatisten hat sie zum Vorwand genommen, Hunderttausende Uiguren in Arbeits- und Umerziehungslagern zu internieren.
„Die Türkei ist bislang ein sicherer Zufluchtsort für uns“, sagt Burhan Uluyol, ein etwa 50-jähriger Professor und Sprecher der Gruppe der Uiguren vor dem Konsulat in Istanbul. „Wir sind der türkischen Regierung sehr dankbar.“ Tatsächlich sind gerade für türkische Islamisten und Nationalisten die Uiguren Schutzbedürftige, die nach ihrer Sichtweise „zu uns“ gehören und jede Unterstützung verdienen. Schon lange grummelt es in diesen Kreisen deshalb, weil der türkische Präsident zu den Berichten über die massive Unterdrückung der Uiguren schweigt. Der sonst so wortgewaltige Recep Tayyip Erdoğan hat bislang jede öffentliche Kritik an den Lagern, in denen bis zu eine Million Uiguren festgehalten werden, vermieden.
Geht es nach China, soll aber bald aus bloßem Schweigen eine aktive Unterstützung der Repression gegen die Uiguren werden. China will die Auslieferung etlicher Aktivisten, die in der Türkei Zuflucht gefunden haben. „Wir alle stehen wahrscheinlich auch auf deren Auslieferungsliste“, sagt Burhan Uluyol und zeigt auf die Gruppe der Demonstranten. „Aber wir gehen fest davon aus, dass die Türkei keinen Uiguren an China ausliefert. Das türkische Volk würde das nicht zulassen.“
China hat seinen Druck erhöht
Tatsächlich steht Erdoğan vor einem enormen Dilemma. Vor gut drei Jahren hatte China mit massivem wirtschaftlichem Druck erreicht, dass zwischen beiden Ländern ein Auslieferungsabkommen vereinbart wurde. Die Türkei legte dieses Abkommen jedoch erst einmal auf Eis. Gegen den prominentesten Uigurenführer in der Türkei, Abdülkadir Yapcan, wurde wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten zwar Anklage erhoben, doch der Prozess verlief bislang im Sande. Ausgeliefert wurde er erst recht nicht.
Doch die Situation ändert sich. China hat seinen Druck erhöht und jetzt steht die Ratifizierung des Auslieferungsabkommens plötzlich auf dem Programm des türkischen Parlaments. Im Moment verhandelt der Auswärtige Ausschuss darüber.
„Sie erpressen die Türkei mit dem Impfstoff“, ist Burhan Uluyol überzeugt. Tatsächlich erwartet die türkische Regierung die mit Abstand größte Menge an Impfstoff gegen Covid-19 aus China. Der Impfstoff Sinovac wurde und wird in der Türkei getestet und soll das Rückgrat für die türkische Impfkampagne bilden.
In der Uiguren-Community geht die Angst um. Obwohl sie der türkischen Regierung vertrauten, wie Medine Nazimi sagt, die ebenfalls seit Tagen vor dem chinesischen Konsulat für die Freilassung ihrer Schwester demonstriert. Ungefähr 50.000 Uiguren sind aus China in die Türkei geflüchtet. Gut die Hälfte von ihnen hat mittlerweile die türkische Staatsangehörigkeit und damit nichts mehr zu befürchten. Viele andere haben langfristige Aufenthaltsgenehmigungen, aber es gebe auch etliche, die „noch keine Papiere“ haben, so Burhan Uluyol. „Viele von denen haben Angst und wollen die Türkei in Richtung Europa verlassen.“
Medine Nazimi ist aber eigentlich überzeugt, dass die Türkei keine Uiguren nach China ausliefert wird. „Sonst gehen wir alle nach Ankara und machen dort einen großen Protest“, sagt auch Burhan Uluyol. „Das türkische Volk wird eine Auslieferung von Uiguren verhindern.“
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