Geflüchtete in Frankreich: Der „Dschungel“ wird zur Geisterstadt

Im Flüchtlingslager bei Calais geht das Licht aus. Fast die Hälfte der Bewohner ist auf dem Weg in Aufnahme- Zentren. Was wird aus den anderen?

Protestierende halten Schiilder in den Händen

Geflüchtete Frauen protestieren am Dienstag in Calais Foto: ap

CALAIS taz | Die Räumung des inoffiziellen Flüchtlingscamps Dschungel bei der französischen Hafenstadt Calais geht am Dienstag mit schnellen Schritten voran. Mitten in dem komplett abgeschirmten Industriegebiet, an dessen Rand der “Dschungel“ liegt, bilden sich ab dem frühen Morgen erneut lange Schlangen von Migranten, die in Aufnahmezentren gebracht werden sollen. Am Nachmittag kommt die Abfahrt der Busse ins Stocken, und es gibt einige Rangeleien zwischen Migranten und der Gendarmerie. Zu diesem Zeitpunkt haben etwa 1.000 weitere Bewohner das Lager verlassen.

Zum Auftakt der “Operation Bergung“ genannten Räumung waren am Montag gut 2.000 Migranten in die Aufnahmezentren gebracht worden. Eine Mitarbeiterin der Präfektur zeigte sich zufrieden mit dem bisherigen Verlauf. Vor Beginn der Aktion hatte die Präfektur allerdings angekündigt, in den ersten Tagen gut 5.000 Personen auf Aufnahmezentren verteilen zu wollen. Bis zum Ende der Woche soll die Räumung abgeschlossen sein.

Unklar bleibt unterdessen die Situation der Minderjährigen in Calais. Hilfsorganisationen monieren, junge Migranten seien am schwer gesicherten Eingang zum Hangar, an dem die Busse abfahren, nach bloßen Augenschein in vermeintlich Minder- und Volljährige eingeteilt worden.

Mitarbeiter des UN-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR sind auch am Dienstag weiter auf der Suche nach Kindern und Jugendlichen, die im Rahmen der Familienzusammenführung oder eine Verfassungsänderung vom Frühjahr Recht auf einen Aufenthaltstitel im Vereinigten Königreich haben.

Frauen protestieren

Am zweiten Tag der Räumung bestätigt sich einmal mehr, dass sich längst nicht alle Bewohner des Dschungels den Plänen der französischen Behörden fügen wollen. Am Nachmittag kommt es zu einer Protest-Kundgebung einer kleinen Frauen-Gruppe, die auf den mit Gittern umstellten Hangar-Eingang zuläuft und auf Plakaten “England“ speziell für Frauen um Hilfe bittet.

Unterdessen wird deutlich, dass die Behörden bei der Durchsetzung ihres Räumungsplans keine Zeit verlieren wollen. Eine erste Gruppe von Arbeitern in orangenen Overalls und mit weißen Helmen beginnt Buden und Hütten im Dschungel abzubauen. Wie schon bei der Teil-Räumung im vergangenen Frühjahr zerlegen sie diese mit Vorschlaghammern. Planierraupen kommen zunächst nicht zum Einsatz.

Am Nachmittag sind zahlreiche der verwaisten Gebäude sind in sich zusammengefallen, Schutt, Bretter und Plastikplanen säumen den Weg. Mehrere Schrotthaufen werden angezündet und rauchen noch vor sich hin. Das Gesicht der Siedlung hat sich innerhalb weniger Tage sichtbar geändert. Der Dschungel beginnt, wie eine Geisterstadt auszusehen. Hier und da sitzen noch Menschen vor den Hütten. Doch viele davon sind schon verlassen. An einer steht auf einer blauen Plane geschrieben: “I lost my hope“.

Nur aus dem Kids Café – dem Gesellschaftsraum, der in der Debatte um das Schicksal der Minderjährigen bekannt wurde, ist noch Musik zu hören. Zu den Klängen der afghanischen Dambora-Gitarre wird Billard gespielt.

Hier ist man sich unschlüssig, wie es weitergeht. Manche der Anwesenden haben sich entschieden, sich in eines der Aufnahmezentrum bringen zu lassen. Andere wollen versuchen, irgendwie doch noch Großbritannien zu erreichen. Was wird aus ihnen? Am Ende dieser Woche, wenn alle Abreisewilligen in ihren Bussen weggefahren sind, wird es vielleicht Antworten geben.

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