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Gefährlicher Darmkeim breitet sich ausErste Todesopfer nach Ehec-Infektion

An der schweren Durchfallerkrankung, die sich immer weiter ausbreitet, sind offenbar drei Frauen in Norddeutschland gestorben. Die Ursache der Ehec-Seuche könnte ungewaschenes Gemüse sein.

Über die Ursache des Ausbruchs des Ehec-Erregers rätseln Mediziner noch. Bild: dapd

BERLIN dpa/dapd/afp | In Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein starben drei Frauen vermutlich im Zusammenhang mit EHEC-Infektionen, wie die Behörden am Dienstag mitteilten. Die Ursache für die ungewöhnlich starke Verbreitung der Darm-Bakterien, die blutigen Durchfall auslösen können, blieb weiter unklar.

In Niedersachsen starb dem Landes-Gesundheitsministerium zufolge am Samstag eine 83-jährige Frau aus dem Landkreis Diepholz. Sie war demnach seit dem 15. Mai wegen eines blutigen Durchfalls stationär behandelt worden. Die Frau sei im Labor positiv auf eine Ehec-Infektion getestet worden. Die Untersuchungen zu den Todesumständen dauern noch an.

In Bremen starb nach Angaben der Landes-Gesundheitsbehörde in der Nacht zum Dienstag eine junge Frau, die zuvor typische Symptome einer Ehec-Infektion gezeigt hatte. Bei ihr bestand der Verdacht auf das sogenannte hämolytisch-urämische Syndrom (HUS), das durch den Ehec-Erreger verursacht wird. Bei ihr wurde der Erreger aber zunächst noch nicht im Labor nachgewiesen.

Im Kreis Stormarn starb laut dem schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerium am Sonntag eine mehr als 80 Jahre alte Frau, die mit Ehec infiziert war. Ob die Infektion die Todesursache gewesen sei, stehe aber noch nicht fest, erklärte das Ministerium. Die Frau lag demnach wegen einer Operation im Krankenhaus.

Mehr als 400 bestätigte und Verdachtsfälle

Indes nehmen die Ehec-Verdachtsfälle im Norden weiter explosionsartig zu, während der Süden bisher lediglich vereinzelt betroffen ist und erste Befürchtungen äußert. Allein in Schleswig-Holstein hat sich die Zahl der Verdachtsfälle seit Montag auf mehr als 200 Fälle verdoppelt. "Diese Entwicklung übersteigt jedes historische Maß", sagte der Mikrobiologe Prof. Werner Solbach vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Damit gibt es deutschlandweit derzeit mehr als 400 bestätigte und Verdachtsfälle.

In Hamburg ist die Zahl der bestätigten Fälle unterdessen am Dienstag auf mindestens auf 67 gestiegen. Hessen meldet mindestens 26 Verdachts- und bestätigte Fälle. In Mecklenburg-Vorpommern werden derzeit mindestens vier Ehec-Patienten behandelt. Aktuelle Zahlen wollen die Gesundheitsbehörden bis zum frühen Nachmittag bekanntgeben. In Niedersachsen und Bremen waren es am Vortag fast 70 bestätigte Fälle.

Rohmilch und Rindflesich scheiden eher aus

Zur Ursache des Ehec-Erregers gibt es weiter keine verlässlichen Erkenntnisse. Es werde vermutet, dass möglicherweise mit Gülle gedüngtes Gemüse die Ursache sei. Solange die konkrete Quelle nicht identifiziert sei, lasse sich zur weiteren Verbreitung nichts Seriöses prognostizieren. "Das wäre Kaffeesatzleserei", hieß es aus der Behörde.

Die Angaben der Betroffenen lassen dem Hamburger Instituts für Hygiene und Umwelt zufolge vermuten, dass die Produkte wie Rohmilch, Frischkäse und Rindfleisch ausscheiden. Dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge ist die Infektionsquelle möglicherweise noch aktiv.

Nach Angaben der ärztlichen Leiterin des Hamburger Großlabors Medilys, Susanne Huggett, dauert der Befund rund 36 Stunden. "Deshalb gibt es gegenwärtig viele Verdachtsfälle aber noch kein verlässliches Bild der tatsächlichen Gesamtlage." Untersuchungen von Proben hätten ergeben, dass es sich um einen teils antibiotikaresistenten Bakterienstamm handele. Solche Ehec-Stämme seien bislang unbekannt.

Die Ausbreitung wird von Experten dennoch als alarmierend eingeschätzt, weil die Erkrankungen auffällig oft einen schweren Verlauf mit Nierenversagen nehmen. Mehr als 40 dieser Patienten litten zudem unter dem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS), das von dem Darmbakterium verursacht wird. Dabei kann es zu Nierenversagen, Blutarmut durch den Zerfall roter Blutkörperchen und einem Mangel an Blutplättchen kommen.

Mittlerweile beobachtet auch die Bundesregierung die Situation. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) habe sich in einem Telefonat mit dem Leiter des Robert Koch-Instituts, Reinhard Burger, über die aktuelle Lage informiert, teilte ein Sprecher in Berlin mit.

Das genaue Lagebild bleibt jedoch unklar. Ein Grund dafür ist, dass die Auswertungen der Labors etwa 36 Stunden dauern. "Deshalb gibt es gegenwärtig viele Verdachtsfälle aber noch kein verlässliches Bild der tatsächlichen Gesamtlage", sagte Susanne Huggett, ärztliche Leiterin des Hamburger Großlabors der Asklepios-Kliniken.

"Das Lebensmittel muss sich im Handel befinden"

Betroffen sind überwiegend erwachsene Frauen. "Das legt nahe, dass vor allem Frauen Zugang zur Infektionsquelle haben", sagte der Präsident des niedersächsischen Landesgesundheitsamtes, Matthias Pulz. "Das Lebensmittel muss sich irgendwo im Handel befinden."

Die mehr als 40 schweren Verläufe litten unter dem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS), das von dem Darmbakterium verursacht wird. So kann es zu Nierenversagen oder Blutarmut kommen.

Die Ehec-Erkrankungen, die auch von blutigen Durchfällen begleitet seien, häufen sich seit der zweiten Maiwoche. Laut RKI treten weiterhin ständig neue Fälle auf. In Niedersachsen und Bremen waren 69 Patienten mit teils lebensgefährlichem Verlauf bekannt. In Hamburg liegt die Zahl bei 40 bestätigten Fällen; Huggett zufolge gibt es rund 50. In Schleswig-Holstein lagen 90 Verdachtsfälle vor, davon 13 mit schwerem Verlauf. In Hessen erkrankten bislang 25 Menschen.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Berlin und im Saarland gibt es Erkrankte und Verdachtsfälle.

Ehec-Erreger sind Stämme der Escherichia coli-Bakterien. Sie leben vor allem im Darm von Wiederkäuern und können über unerhitzte Lebensmittel übertragen werden. Auch eine Übertragung über Menschen ist bei mangelnder Hygiene möglich. Die Keime treten in Deutschland immer wieder auf. Das RKI hat seit 2001 bundesweit jährlich zwischen 800 und 1200 Erkrankungen registriert - oft mit leichterem Verlauf.

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16 Kommentare

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  • EH
    Eric Herrmann

    Wäre es nicht zielführend, bei den Patienten eine Bestandsaufnahme der im Haushalt befindlichen Lebensmittel zu machen? Anschließend sollte sich doch eine Gemeinsamkeit feststellen lassen, anhand der das kontaminierte Lebensmittel eindeutig festgemacht werden könnte. (Bei Dr. House machen die Ärzte das ständig ;)

  • H
    H.Klöcker

    Wann kommt der Impfstoff für alle von Big Pharma ;O)

     

    Jeden Tag in Deutschland:

     

    380 Tote durch Rauchen

    191 Tote durch Alkohol

    41 Tote durch Ärztepfusch

    30 Tote durch normale Grippe

    28 Tote durch Suizid

    25 Tote durch Passivrauchen

    16 Tote im Straßenverkehr

    4 Tote durch Heroin, Kokain, Designer-Drogen

    0 Tote durch Haschisch

    0 Tote durch LSD

    0 Tote durch Terroranschläge

  • C
    chris

    liebe taz,

     

    vielen dank für diese informationen.

    aber fünffach in einem artikel hätte ich sie nicht gebraucht. drei sätze und gut wärs gewesen.

     

    beste grüße

    der trotzdem treue chris

  • AB
    Anders Balari

    E. Coli? Industrielle Land- und Viehwirtschaft. Nix glauben? "Food Inc." gucken. (Und aktiv daran mitwirken, dass die Situation in Europa sich nicht der in den USA annähert....)

  • J
    Jonas

    Mich würde mal interessieren, welche Pharmaunternehmen Therapiemittel zur Verfügung stellen. Vielleicht haben wir es ja wieder mit einer Marketingaktion zutun wie damals bei der Schweinegrippe?

  • K
    Kommentator

    Vorsicht Satire:

    Die taz-Kommentatoren wissen es genau:

    - Das ganze ist ein Pharma-Lobby-Hype

    - eine sexistische Verschwörung gegen Frauen oder gegen Rohkost-Hippie-Single-Frauen

    - ein speziesistisches Komplott gegen eh die eh schon sagrotan-diskriminierten armen Viren

    ("Och! Jetzt hetzt die Taz mit gegen diesen Erreger"...Genau! Lasst ihn leben!)

     

     

    Man darf gespannt sein, was neben seriöseren Thesen wie denen um die Gülle-Mafia noch an Abstrusem folgt. Ich mach mal weiter:

    - EHEC als Produkt von US-Geheimlaboren gegen faule Ökobauern, die ihren Mist nicht rechtzeitig unterpflügen wollen

    - EHEC gemäß Cui Bono als Rache der Datenschützer gegen die Volksbefragung und die passiven Sesselfurzer, welche nicht gegen sie aktiv werden wollten

     

    Im Ernst: Ist das Thema echt so lustig? Oder hat Infokrieg virtuellen Freigang?

  • WB
    Wolfgang Banse

    EHEC Erreger ernst nehmen

    Die schweinegrippe wurde heruntergespielt,obwohl sie auch todesopfer forderte,wie in diesem Winter.DerErreger EHEC sollte ernst genommen werden und Präsentativmaßnahmen ergriffen werden,um dem Erreger Herr zu werden,um des Menschenwillen.

  • G
    Gesundbeter

    Ich habe BSE, sowie Schweine- und Vogelgrippe überlebt. EHEC? -> Hilfe, wir wördön allö störbön!

  • L
    Leonhart

    Also wahrscheinlich handelt es sich um vergiftetes Bio-Essen. Der Bund sollte schleunigst 40 Mio Antiviren bei Pfizer kaufen und die Felder niederbrennen.......oder? Wie damals bei den ganzen anderen Killerviren. Die Schweinegrippe hat am Ende, durch das Verdrängen anderer Grippeviren, ein weniger an Toten gefordert als der Standarthausgrippevirus. Vogelgrippe, BSE, usw. Da sieht man doch, wie plump auch die taz ist, die sich immer wieder das "Anderssein" auf die Fahnen schreibt. Lustiger Weise war es der FAZ keine große Meldung wert aber die SZ hat einen Riesesaufhänger. Was soll mir das nun sagen? Finanzspritze von Monsanto?

  • L
    Lles

    Och! Jetzt hetzt die Taz mit gegen diesen Erreger. Wer weiß, ob es wirklich so außergewöhnlich damit ist und nicht eben ein relativ normaler Verlauf eines sich weiter entwickelten Erregers wie wir diesen mit tausenden erleben könnten, wenn die Berichterstattung so ausführlich wäre.

  • P
    peer

    Zum Glück gibt es nun wieder eine furchterregende medizinische Unbekannte, mir wurde schon ganz langweilig, nach dem man nichts mehr von Japan hört, geht es Berg auf in der deutschen Medienwelt. Nach den vernichtenden Verläufen von BSE, Vogel- und Schweinegrippe, die beinahe die ganze Menschheit ausgerottet hätten, muss sich der Mensch nun vor einer neuen Gefahr in Acht nehmen.

    Die Erfahrung hat doch gezeigt, das gern heiß gekocht wird, gegessen wird dann bekannter maßen wieder lauwarm. Ohne ein Verschwörer zu sein, finde ich es doch auffallend, das ein Virus den nächsten jagt und immer noch gefährlichere Bakterien gefunden werden als es sie schon gab.

    Angstgesellschaft fällt mir da als Begriff ein. Machen Sie sich nicht zu viele Sorgen, im Nachhinein wird nur wieder festgestellt, das die Entdecker des Virus zu einer Lobby von Pharmazeuten gehören, die glücklicherweise ein geeignetes Mittelchen gegen diese gefährliche Darmkrankheit haben. Liebe Leute, lassen Sie sich nicht für blöd verkaufen und reiben Sie ruhig weiter Karotten in den Salat, achten Sie nur darauf, das diese dabei nicht überhitzt.

  • T
    tazleser

    Die riesigen zu entsorgenden Güllemengen treten vor allem in der konv. Tierhaltung auf. Das diese dann auf Biofeldern entsorgt werden halte ich für eher unwahrscheinlich.

  • H
    Helmut

    @volko: Gülle während der Wachstums- und Ernteperiode aufs Feld zu bringen fällt seriösen Biobauern nicht ein. Mist wird normalerweise lange vor dem Einbringen der Pflanzen untergepflügt. Und wäre, wenn überhaupt, damit wohl eher für Wurzelgemüse eine ernsthafte Quelle.

     

    Im Artikel ist zudem die Rede davon, dass es sich zumindeste teilweise um antibiotikaresistente Stämme handelt - was wiederum für eine Quelle aus konventioneller Landwirtschaft spräche, in der mit Antibiotika herumgeworfen wird, als ob es kein Morgen gäbe.

     

    Insofern hilft alles spekulieren wenig. Kochen mehr. Und beim Salat auf die Quelle achten.

  • B
    Berta

    Ich vermute der Erreger hängt mit der Gentechnik zusammen. Gerade in Norddeutschland beschäftigt sich ja Saatzüchter mit der Gentechnik. Es ist also kein Wunder, dass gerade dort der Virus am meisten verbreitet ist. Nachdenklich macht auch, dass gerade Frauen am stärksten betroffen sind. Man schaue sich nur in Goslar (liegt auch in Norddeutschland) den Skandal mit der Gleichstellungsbeauftragten an, die sich statt um die Rechte der Frauen zu kümmern, für die Stärkung des Patriarchats eingesetzt hat. Wir müssen also wachsam bleiben

  • V
    volko

    Sind Erdbeeren vom Feld, Salat und Gemüse vom Bio-Bauern jetzt besonders gefährlich, weil da mit mist gedüngt wird? Sollte ich jetzt besser Salate aus Nährlösung, die nie Erde gesehen haben, essen? Wär schön, wenn Ihr uns das alsbald beantworten könntet, liebe tazler.

  • P
    Patrick

    RKI SurvStat (http://www3.rki.de/SurvStat/QueryForm.aspx)

     

    Meldeweg: Über Gesundheitsamt und Landesstelle

    Meldekategorie: EHEC/STEC

    2010: 918

     

    OMG wir werden alle sterben und wir benötigen dringend staatliche Reserven an Medikamenten, damit die Pharmaindustrie mal wieder Umsatz macht. Ausserdem muss unbedingt jeder darüber berichten, da das viel spannender ist, als die tausenden Verkehrstoten im Jahr.

     

    IMHO eine große Vernebelungsaktion in Zusammenarbeit mit dem RKI um von "anderen" Themen der Tagespolitik in Deutschland abzulenken.

    *gähn*