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Gedenkveranstaltung in BiesenthalAntifaschistische Spurensuche

Auf einem Spaziergang in Biesenthal wird NS-Opfern gedacht. Bald sollen in der brandenburgischen Kleinstadt die ersten Stolpersteine verlegt werden.

„Recht große jüdische Bevölkerung“: Historische Aufnahme von Biesenthal aus dem Jahr 1935 Foto: Arkivi/imago

Biesenthal taz | Die Stimmung ist leise und nachdenklich am Sonntagvormittag im brandenburgischen Biesenthal. Eine Person trägt ein Schild, auf dem „Seid nicht gleichgültig“ steht, eine Frau mit einem Cellokasten auf dem Rücken ein Banner mit der Aufschrift: „Biesenthal zeigt Gesicht“. Insgesamt sind 150 Menschen unterschiedlichen Alters zusammengekommen.

Elliot Müller ist Teil der Initiative Bunt statt Braun Biesenthal. Für Sonntag hat die Gruppe zu einem Gedenkspaziergang durch die 6.000-Einwohner:innen-Stadt rund 40 Kilometer nordöstlich von Berlin eingeladen. Anlass ist der 80. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen Konzentrationslagers Au­schwitz durch die Rote Armee am 27. Januar.

Die 2008 entstandene Initiative recherchiert zu Opfern des Nationalsozialismus, die in Bezug zu Biesenthal stehen, und setzt sich für die Verlegung von Stolpersteinen ein. Biesenthal hatte einst – wie auch andere Orte im Brandenburger Umland – eine recht große jüdische Bevölkerung, erzählt Müller. Die Initiative will ihre Namen und Lebenswege nachvollziehen.

Das passt in Biesenthal, wo die AfD bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahr 33,2 Prozent holte, jedoch offenbar nicht allen. Vor einem Jahr haben Unbekannte die Erinnerungseiche auf dem jüdischen Friedhof gefällt. Trotz der rechten, antisemitischen Strömungen wollen Müller und ihre Mit­strei­te­r:in­nen „das Gedenken in den Vordergrund rücken und Aufmerksamkeit auf das Thema lenken“.

Initiative will Stolpersteine in Biesenthal

Noch befindet sich kein einziger der rund 1.300 Stolpersteine, die es in Brandenburg gibt, in Biesenthal. Das will die Initiative ändern. Bislang haben sie über 100 Namen von Betroffenen, die in Biesenthal geboren wurden, hier lebten oder anders mit der Stadt verbunden waren, gesammelt. Für sie sollen bald Stolpersteine verlegt werden.

Der Spaziergang am Sonntag ist ein Teil dieses Prozesses. Auf ihm werden die Adressen einiger ehemaliger jüdischer Be­woh­ne­r:in­nen sichtbar gemacht. Vor einem roten Haus in der August-Bebel-Straße 10, in dem sich heute ein Friseursalon befindet, bleibt die Gruppe im Halbkreis stehen. Vor etwa 90 Jahren wohnte hier das Ehepaar Goldschmidt mit seinen Töchtern. Am 3. Februar 1943 wurde die Familie nach Au­schwitz deportiert und dort ermordet.

Akribische Archivarbeit

Die Informationen hat Elliot Müller in akribischer Archivarbeit und auf Grundlage der Arbeiten der Stadtchronistin Gertrud Poppe gesammelt. Ihre Forschungsergebnisse werden an diesem Tag im Gemeindehaus der evangelischen Kirche ausgestellt. Auch Gertrud Poppe selbst ist vor Ort. Hier ist auch die „Transportliste“ zu sehen, die die Deportation der Familie Goldschmidt zur Folge hatte.

Im Februar wird die Initiative einen ersten Antrag zur Verlegung von Stolpersteinen stellen. Müller ist optimistisch, dass der Antrag von der Gemeinde angenommen wird. Auch weil der Bürgermeister Carsten Bruch (CDU) hinter der Idee steht. Aber: „Wir brauchen für die Verlegung der Stolpersteine Geld“, appelliert Müller an die Spaziergänger:innen.

Zu dieser Gedenkfeier werden zwar noch keine Stolpersteine verlegt, dafür aber weiße Blumensträuße und Teelichter, um der Opfer zu gedenken.

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