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Gedenktag Mauerbau"Verhöhnung der Opfer"

Rechtzeitig zum Gedenken an den Mauerbau debattiert die deutsche Politik über den Umgang mit der Vergangenheit. Vor allem die Linke ist unter Beschuss.

Eine Grenzsäule der DDR im Deutsch-Deutschen Museum im vogtländischen Mödlareuth. Bild: dpa

BERLIN dpa/afp | Mit Blick auf den 50. Jahrestag des Mauerbaus hat CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt der Linkspartei die Verhöhnung der Opfer vorgeworfen. Die Mauer sei der menschenverachtende Versuch des SED-Regimes gewesen, Menschen dauerhaft einzusperren, sagte Dobrindt am Freitag in einer Mitteilung. "Wenn heute Politiker der Linkspartei den Mauerbau als "zwingende Notwendigkeit" bezeichnen, ist das blanker Zynismus und eine Verhöhnung der Opfer von Mauer und Stacheldraht."

Auch der FDP-Generalsekretär Christian Lindner hat die Linken-Vorsitzende Gesine Lötzsch wegen ihrer Äußerung zum Mauerbau harsch kritisiert. "Die Linke verhöhnt die Maueropfer und diejenigen, die jahrzehntelang in Unfreiheit leben mussten. Frau Lötzsch wirkt wie die letzte Regierungssprecherin der DDR", sagte Lindner der Passauer Neuen Presse. Lötzsch hatte den Mauerbau als logische Folge des Zweiten Weltkriegs bezeichnet.

Der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linkspartei, Dietmar Bartsch, forderte von seiner Partei eine klare Positionierung zum Mauerbau. "Auch wegen unserer Geschichte ist es unabdingbar, dass wir uns in der Frage der Berliner Mauer eindeutig positionieren", sagte Bartsch der Rheinischen Post. "Das heißt, Freiheit, Demokratie und Sozialismus lassen sich nicht mit Mauern umsetzen." Bartsch verlangte von seiner Partei in dieser Frage ein "hohes Maß an Sensibilität".

Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) forderte die Linkspartei auf, sich klar vom Mauerbau zu distanzieren. "Stimmen aus den Reihen der Linken, die den Mauerbau als Notwendigkeit bezeichnen, sind für mich völlig inakzeptabel", sagte Sellering dem Hamburger Abendblatt. Politiker der Linkspartei hatten in einem Positionspapier für den Landesparteitag am Wochenende in Rostock geschrieben, der Mauerbau sei "ohne vernünftige Alternative" gewesen.

Die Forderung des CSU-Generalsekretärs Alexander Dobrindt nach einem Verbot der Linkspartei nannte Sellering aber "ein bisschen durchgeknallt". Es sei schlimm genug, dass sich die Union im Westen gegen ein neues NPD-Verbotsverfahren sperre, sagte der SPD-Politiker. Eine Beobachtung der Linkspartei vom Verfassungsschutz nannte er "nicht notwendig". "Es ist doch abwegig zu glauben, dass die Linke in Deutschland eine neue Diktatur des Proletariats errichten will", sagte Sellering.

In die Debatte mitscht sich auch der frühere Westberliner Bürgermeister Eberhard Diepgen ein. Mdr Info sagte er, man müsse achtgeben, dass von der Mauer nicht nur übrig bleibe, was heute schön bemalt sei. "Die East-Side-Gallerie und ähnliche Dinge - das verharmlost die Mauer", sagte er.

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18 Kommentare

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  • V
    vic

    Gottchen, was sind sie wieder senibel.

    Es gäbe keinen Vertriebenenverband ohne den Zweiten Weltkrieg.

    Auch die Bombardierung Dresdens ist eine direkte Folge desselben, wie Lötzsch völlig zu Recht sagte.

  • J
    Jens

    Das ganze Geheuchel um Familientrennung- und zerstörung ist völlig unangebracht. Wenn es in der BRD um Emigranten und andere Einwanderer geht, nimmt man es mit den Familien und deren Zusammenführung auch nicht so genau.

  • MG
    Margarete G.

    Es ist wirklich unfair, den Linken ständig Verharmlosung der Mauer vorzuwerfen angesichts solcher aktueller Meldungen:

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,780058,00.html

  • MN
    Marco N

    Die Linke zeigt mal wieder ihr wahres Gesicht, dass nicht nur die Mauer das Unrechts-Regime für das sie statt rechtfertigt, sondern auch die Maueropfer verhöhnt.

    Was deutlich macht, dass es die ex-sed auch heute mit Demokratie und Humanismus wenig zu tun hat.

  • N
    Nils

    @ Tobias

    Ich kenne nicht ein Zitat von Frau Lötsch oder anderen relevanten Parteimitgliedern, in dem der Mauerbau verharmlost wurde. Wer sich einmal die Zeit nähme, die Position der Partei zur Geschichte der DDR und ihrer Vorstellung vom demokratischen Sozialismus mal zu verstehen, der würde auch nicht ständig zur volksmundtauglichen Einschätzung gelangen, dass man in der Linkspartei Mauerbau und Diktatur verharmlose. Dass es volksmundtauglich ist, macht es noch lange nicht richtig. Es wird leider doch sehr viel Unsinn in unseren Medien verbreitet.

  • F
    Friedrich

    Warum dieses Theater der Medien zum Tag des Mauerbaus? Bis zum Mauerfall hat das Thema bis auf ganz wenige kaum jemanden interessiert. Man schaue nur die Medienarchive der ZEIT, SZ, TAZ, FAZ, WELT und aller sonstigen Medien durch.

     

    Auch CDU/CSU plus FDP plus SPD plus Grüne haben keine jährlichen Gedenkfeiern abgehalten. Es waren nur kleine Grüppchen, die sich erinnerten und oft als rechtsaußen/nationalistisch abgekanzelt wurden - ausgenommen Helmut Kohl - ja Kohl!

     

    Aber es ist doch so: ohne den durch die Deutschen geführten 2.Weltangriffskrieg hätte es keine deutsche Teilung gegeben und ohne die Sowjetunion hätte es keine Mauer bzw. Stacheldraht gegeben. Das wissen doch alle!!

     

    Wenn die Sowjetunion es absolut nicht gewollt hätte, hätte sich Ulbricht noch so bettelnd anstellen können: er hätte die Mauer nicht bekommen. Und ohne Gorbatschow wäre die Mauer nie gefallen und wenn es noch so viele protestierende Ostdeutsche gegeben hätte.

     

    Und insofern ist die Kritik an Lötzsch heuchlerisch. Oder anders herum: Lötzsch ist einfach wirklich dumm, solche Äußerungen in sicherer Erwartung des jetzigen Theaters zu machen!!

  • W
    womue

    Vielleicht überlegen es sich viele Berliner doch, ob sie nicht an diesem letzten eisfreien Wochenende in diesem Jahrhundert etwas Besseres vorhaben, als schweigend und vergrimmt das Pathos von der dunklen und ungerechten Vergangenheit zu zelebrieren.

  • DL
    Daniel Lutz

    Seit wann ist Dietmar Bartsch wieder der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei???

     

    Ganz schlechte Recherche!

     

    ***Anmerkung der Redaktion: Sie haben recht, seit Mai 2010 hat Herr Bartsch diese Position nicht mehr inne. Entschuldigen Sie bitte den Fehler, wir haben das geändert.

  • T
    Tantalus

    "Es vergeht keine Woche mehr, in der sich "die Linke" nicht für die Mauer entschuldigen muss, die sie nicht zu verantworten hat"

    Wenn ich richtig liege, dann folgte auf die SED die PDS aus Teilen der PDS wurde die Linkspartei zusammen gesetzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand von der alten Riege noch dabei ist besteht also. Abgesehen davon, wird die Thematik momentan nicht grundlos aufgegriffen.

     

    "Zudem gab es in der Vergangenheit immer wieder klarstellende und distanzierende Aussagen führender Linksparteimitglieder, die keinen Zweifel daran lassen, dass die Partei sich kritisch mit der Geschichte der DDR auseinandersetzen."

     

    Eine Partei, deren eigene Stiftung sich Rosa Luxemburg-stiftung nennt, sich also auf eine Person beruft, die unsere junge Demokratie stürzen wollte, setzt sich wohl nicht per se kritisch mit der Vergangenheit Deutschlands auseinander.

     

    Es ist übrigens falsch zu behaupten die Mauer sei eine notwendige Konsequenz der geschichtlichen Prozesse gewesen. Solche Aussagen verschleiern, dass hinter diesem Bau Menschen standen, die ihn beauftragt haben, hinter diesem Bau steckt eine Ideologie und die hat nicht 'notwendigerweise' Bauen müssen, sondern aus freien Stücken.

    DDR-Nostalgie ist fehl am Platz.

  • T
    Tobias

    @Nils:

     

    Dass die Linke sich immer wieder rechtfertigen muss liegt daran dass es halt immer wieder Teile der Partei gibt, oder eben jetzt die Frau Lötsch, die den Mauerbau verharmlosen. Würden Sie das sein lassen müssten Sie sich auch nicht rechtfertigen, höchstens eben zu Mauerbau Jahrestagen wie jetzt. Aber solange es da immer noch dissens in der Partei gibt, und sogar die Vorsitzende sich so äussert, muss Sie dies auch weiterhin tun.

     

    Wenn Frau merkel den Holocaust verharmlosen würde, müsste die CDU sich auch rechtfertigen.

  • K
    Ökomarxist

    Sozialismus muss so attraktiv sein, dass man die Leute nicht einmauern muss." sagte Sahra Wagenknecht

    Sprecherin Kommunistischen Plattform in der Linksparttei vor 3 Jahren in der Süddeutschen Zeitung.Wo mit Sie ein Stück weit Recht ,es war nie die Absicht dass Deutschland geteilt wird, die Sowjetunion wollte nur nicht nach Kriegsende ihren Einfluss in der damaligen DDR verlieren wenn Ost und Westdeutschland zusammenbleiben.Dietmar Bartsch sagte er zu diesen Thema in der Rheinischen Post :"Auch wegen unserer Geschichte ist es unabdingbar, dass wir uns in der Frage der Berliner Mauer eindeutig positionieren",Ich stimme Ihm da zu und er auch recht wenn er sagt das sich Freiheit,Sozialismus und Demokratie sich nicht einmauern lassen.Den der Dritte Weg des Sozialismus ist der demokratische Sozialismus so wie er sich zu Zeit des Prager Frühlings bis Niederschlagung durch die Sowjets durchgeführt wurde.

  • G
    geschichtswerkstatt

    Ganz Europa war zwischen den Militärblöcken durch eine gesicherte Grenze geteilt. Warum sollte sie ausgerechnet in dem geteilten Berlin durchlässig geblieben sein? Das war für die Siegermächte und auch für die Bundesregierung doch ganz beruhigend, zu wissen, daß da nichts passieren konnte, was den Status Quo erschüttert. Ab und an ein paar erstklassige Propagandaschlagzeilen, mehr waren die Maueropfer dem Westen damals auch nicht wert. Speziell Adenauer etwa hatte überhaupt nichts unternommen, um das Verhältnis zum Osten und das Grenzregime irgendwie zum gegenseitigen Vorteil zu entspannen. Wer heute etwas anderes predigt, ist ein Heuchler.

  • R
    Reginald

    Herr Dobrint hat offensichtlich vergessen wieviele ehemalige SED-Parteisekretäre in seiner Partei Unterschlupf gefunden haben.

    Und das der Oberst Schalck-G. in Bayern wohnt ist wohl auch nur Zufall.

    Ach ja: Schuld sind natürlich immer die Anderen.

    Den wirklichen Opfern, die bei Fluchtversuchen umgekommen sind gilt aber mein aufrichtiges Beileid.

  • T
    thafaker

    Weil an der Mauer Menschen gezielt getötet worden sind, dies es in den Käfig "DDR" nicht mehr ausgehalten haben und durch den Bau viele Familien zerstört worden? Ganz ehrlich, man kann über die Ursache des Mauerbau diskutieren solange man möchte, dass Ergebnis aber, die Mauer selber, bleibt das gleiche. Für jeden logisch denkenden Mensch, der sich mit Geschichte/Politik beschäftigt und von sich selber behaupten kann, emtional intakt zu sein, wird zu dem gleichen Ergebnis kommen, dass die Mauer ein Instrumentarium war, um Menschen wegzusperren und zu kontrollieren.

     

    Das schlimme daran, dass das Bauwerk von Leuten gebaut wurde, die selber unter der braunen Brut in KZs, Zuchthäusern oder in Exil gesessen haben.

  • AI
    Auch Ich

    "Der Holocaust war eine Konsequenz des 1.Weltkrieges." Ist das eine kritische Hinterfragung des Verbrechens im Dritten Reich? Und bitte missverstehen Sie mich nicht, ich möchte hier nicht zwei Verbrechen gegeneinander aufwiegen. Aber die Notwendigkeit eines Mauerbaus historisch belegen zu wollen, ist einfach perfide. Mit "kritisch Nach- oder Hinterfragen" hat das absolut gar nichts zu tun.

  • N
    Nils

    Jaja, die Mauer und "die Linke"...

     

    Es vergeht keine Woche mehr, in der sich "die Linke" nicht für die Mauer entschuldigen muss, die sie nicht zu verantworten hat. Sicher gibt es ehemalige SED-Mitglieder in der Linkspartei. Es gab und gibt aber auch ehemalige NSDAP-Mitglieder in der CDU/CSU. Einige haben beachtliche Karrieren in und mit der CDU hingelegt. Fordert man von der CDU/CSU wöchentlich, sich endlich klarer vom Dritten Reich zu distanzieren?

     

    Zudem gab es in der Vergangenheit immer wieder klarstellende und distanzierende Aussagen führender Linksparteimitglieder, die keinen Zweifel daran lassen, dass die Partei sich kritisch mit der Geschichte der DDR auseinandersetzen. Auch schwarz auf weiß war und ist dies zu lesen, z.B. im aktuellen Parteiprogrammentwurf. Es wäre schön, wenn dies endlich mal zur Kenntnis genommen würde - aber wenn die Generalscharfmacher von Union und "Liberalen" wider besseres Wissen wieder mal das Schreckgespinst vom kinderfressenden Kommunisten durch die Medien jagen, ist nirgendwo jemand von den etablierten Medien, der diesen Hetzern mal auf's Maul schaut. Eigentlich könnte man sagen, dass die Medienleute schlcihtweg ihre Arbeit nicht richtig machen (wenn man ihnen generell positiv eingestellt ist und nicht annimmt, dass sie eine systematische Diffamierung der Linken mittragen.)

  • I
    Ich

    Warum wird eigentlich JEDE kritische Nachfrage, egal von welcher Seite, zu den wirklichen Ursachen der Teilung Deutschlands, zum Mauerbau, zum kalten Krieg und zu den Ursachen für die Toten an der Grenze als eine Verhöhnung der Opfer bezeichnet?

    Sich mit Geschichte zu beschäftigen heißt auch, diese im Zusammenhang zu sehen und nicht nur auf schwarz/weiß Darstellungen zu reduzieren.

  • BF
    Bernd F.

    Wetten, daß die Redner nicht auf die historischen Zusammenhänge, die vielfältigen Faktoren eingehen werden, die zur deutschen Spaltung, zur Grenze auf deutschem Boden und schließlich zum 13. August 1961 führten. Deshalb werden sie nicht einmal ihren hochgeschätzten Altpräsidenten Richard von Weizsäcker zitieren, der schon 1983, zum 50. Jahrestag der faschistischen Machtergreifung, im Berliner Reichstagsgebäude feststellte: »Am 30. Januar 1933 brach die Weimarer Republik zusammen. In allernächster Nähe von diesem Platz, an dem wir versammelt sind, leuchtete am Abend des 30. Januar ein Fackelzug den Beginn der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft ein ... Sie hat unsägliches Leid über viele Millionen unschuldiger Menschen mit sich geführt ... Sie hat den Gang der Geschichte grundlegend verändert ... Wie ein mahnendes Monument steht dieser Reichstag an der Mauer, die bis auf den heutigen Tag Berlin, Deutschland und Europa teilt. Aber es gäbe diese Mauer nicht ohne den 30. Januar 1933.«

    http://sopos.org/aufsaetze/4e1ca3324abd8/1.phtml