Gedenken, pflegen etc.: Spießiger Lattenzaun
■ Aus der Stadt jagen? Eine kleine, notwendige Intervention zur Verschmähung der Arbeit von Denkmalpflegern
Denkmalschutz, wie das schon klingt. So altbacken und irgendwie an sich völlig überflüssig heutzutage. Ein richtiges Denkmal braucht keinen Schutz. Was gut aussieht und wertvoll ist für die Kultur im Land, auf das wird schon gut genug aufgepaßt werden. So dachte wahrscheinlich Berlins Bausenator Jürgen Klemann (CDU), als er den Denkmalpfleger Helmut Engel „aus der Stadt jagen“ wollte, gesetzt den Fall, daß dieser, wie angekündigt, das aus den frühen sechziger Jahren stammende polnische Botschaftsgebäude Unter den Linden auf die Liste der zu schützenden Berliner Denkmäler setzen sollte.
Auch aus Potsdam gibt es Beunruhigendes zu vermelden. „Potsdam im Würgegriff der Denkmalschützer“, titelte eine für ihre Liberalität bekannte Berliner Tageszeitung und zitierte ausführlich aufgebrachte Lokalpolitiker, die gern so ganz anders bauen würden, wenn man sie bloß ließe. Doch da ist die Unesco vor, die drohte, Potsdam zum gefährdeten Weltkulturerbe zu erklären, nur weil die Stadtoberen statt eines Bahnhofs ein gigantisches „Potsdam-Center“ planten oder – was ist das schon im Fluß der Zeit – ein paar Dutzend „Stadtvillen“ im Landschaftsschutzgebiet am Glienicker Horn genehmigt hatten.
Die Aufzählung könnte beliebig fortgesetzt werden: Denkmalschützer stehen – vorsichtig ausgedrückt – nicht im besten Ruf. Wo es geht, stellen sie sich quer, fordern Unmmögliches und – Achtung, Kapitalschuld! – verhindern Fortschritt. Und überhaupt: Was will man eigentlich mit diesen ganzen denkmalgeschützten Gebäuden? Vielleicht ist alles aber auch nur ein großes Mißverständnis. Denn Denkmalpfleger sind nicht dazu da, die Welt schöner, angenehmer oder zumindest praktischer zu machen. Ihre Aufgabe ist, historische Abläufe anschaulich werden zu lassen, ganz gleich, wie gern sich das Publikum daran zurückerinnern mag.
Der zugegebenermaßen mäßig ansehnliche Sechziger-Jahre- Bau, der dem Berliner Denkmalpfleger Engel Strafandrohungen nach Gutsherrenart einbrachte, ist zu einer Zeit entstanden, als die Staatsführung der DDR darauf aus war, sich durch den Ausbau diplomatischer Beziehungen zu konsolidieren. Das ist das Entscheidende: wie sich Geschichte im Stadtbild zeigt, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Aus München kam kürzlich die Nachricht, daß die Bayerische Schlösserverwaltung im Nymphenburger Park ein kleines Wohnhaus aus dem frühen 18. Jahrhundert aufwendig restauriert hat. Seitdem wird das Resultat mit Empörung kommentiert. Steht den Spaziergängern auf weiter Flur doch plötzlich ein Gartenzaun im Weg. Daß der „spießige“ Lattenzaun rekonstruiert worden war, weil dort früher aus gutem Grund auch einer stand – egal. (Das Jagdwild, das die Wittelsbacher zu ihrem Vergnügen im Park ausgesetzt hatten, sollte davon abgehalten werden, den Gemüsegarten der Bediensteten zu verwüsten.)
Allgemeines Mißfallen löste auch der Anblick privaten Nießbrauchs aus („Wäschespinne im Garten“; „Yucca-Palme vor der Tür“; „sicher irgendwelche Amigos“).
Ein Gärtner, eine Kassiererin sowie eine Angestellte der Schlösserverwaltung zahlen dort Preise zwischen 14 und 15 Mark für den Quadratmeter in einer Gegend, die nachts so dunkel ist, daß man sich allein kaum raus traut – klar, die reinste Spezlwirtschaft. Denkmalpfleger haben es wirklich nicht leicht. Ulrich Clewing
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