Gedenken an die Toten von 9/11: Wilders hetzt, Obama fordert Solidarität
Am Jahrestag des Anschlags wurde in New York für und gegen den Bau einer Moschee nahe Ground Zero demonstriert. Präsident Obama appellierte an die religiöse Toleranz der US-Amerikaner.
NEW YORK rtr/dapd | Zum Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 haben Hunderte Gegner und Befürworter eines Moscheebaus in der Nähe des ehemaligen World Trade Centers in New York demonstriert. Ein massives Polizeiaufgebot sorgte dafür, dass sich beide Gruppen nicht zu nahe kommen konnten. Die Polizei war mit berittenen Beamten und Hundestaffeln im Einsatz. Es kam dennoch zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen einigen Demonstranten. Aus Sicherheitsgründen hatte die Polizei die Straße abgesperrt, in der die Moschee gebaut werden soll.
Das muslimische Gemeindezentrum soll zwei Blocks entfernt vom Standort des zerstörten World Trade Center (Ground Zero) entstehen. Die Pläne haben einen USA-weiten Ausbruch antimuslimischer Ressentiments geschürt, in Umfragen lehnt eine Mehrheit der US-Bürger zwei Monate vor den Kongresswahlen den Bau ab.
Während der Demonstrationen kam es zu zwei Fällen, bei denen Gegner des geplanten islamischen Kulturzentrums den Koran schändeten: Ein Mann riss Seiten aus einem Koran-Buch und verbrannte sie, ein anderer Mann machte vulgäre Gesten mit herausgetrennten Koran-Seiten.
"Das ist keine politische Veranstaltung, das ist eine Menschenrechtsveranstaltung", sagte die konservative Bloggerin Pamela Geller auf Seiten der Gegner. Rosaria Piedrahita, deren Neffe bei den Anschlägen ums Leben kam, sagte, sie lehne eine Moschee in der Nähe von Ground Zero entschieden ab. "Das ist, wie wenn die Leute aufstehen, um nach einem Sieg zu feiern", sagte sie.
Auch der niederländische Rechtspopulist und Islamgegner Geert Wilders nahm am Protest gegen den Moschee-Bau teil. "Wir dürfen denen, die uns unterwerfen wollen, nie die Gelegenheit dazu geben", waren seine Worte an die Demonstranten. New York dürfe nicht ein "neues Mekka" werden.
Der Streit schwelt schon seit Wochen. Die Befürworter sehen in dem Islam-Zentrum eine Möglichkeit dafür, dass die Religionsgemeinschaften in der Stadt näher zusammenrücken. Die Gegner meinen, dass mit der Nähe zu Ground Zero das Gedenken an die Anschlagsopfer beschädigt wird.
Zuvor wurde in Feierstunden in Washington, New York und Pennsylvania den rund 3.000 Todesopfern der Flugzeug-Anschläge gedacht. US-Präsident Barack Obama rief zu Toleranz auf. Er sagte in Washington, die Angreifer von damals hätten versucht, die Amerikaner ihrer Ideale zu berauben: "Sie mögen versuchen, einen Konflikt zwischen den verschiedenen Religionen auszulösen, aber als Amerikaner befinden wir uns nicht im Krieg mit dem Islam und werden es niemals sein."
Obama betonte, der 11. September sei ein guter Zeitpunkt, sich bewusst zu machen, dass Millionen Amerikaner muslimischen Glaubens seien, darunter auch solche, die für die US-Streitkräfte in Afghanistan kämpften. "Wir unterscheiden nicht zwischen 'ihnen' und 'uns'. Es heißt einfach 'wir'".
In New York wurden um 8.46 Uhr und um 9.03 Uhr Ortszeit (14.46 und 15.03 MESZ) Schweigeminuten abgehalten - exakt um diese Uhrzeit rasten die beiden entführten Flugzeuge in die Türme des World Trade Centers. Im Gedenken an die Toten wurden die Namen der Opfer verlesen. Bürgermeister Bloomberg sagte, "keine andere Katastrophe hat unsere Stadt so getroffen wie diese und fügte hinzu: "kein anderer Ort sei so von "unserem Mitgefühl, unserer Liebe und unserer Solidarität" erfüllt wie Ground Zero.
An der Gedenkfeier in New York nahm auch Vizepräsident Joe Biden teil. First Lady Michelle Obama sowie die Frau von Expräsident George W. Bush, Laura Bush, reisten nach Shanksville im US-Staat Pennsylvania, wo vor neun Jahren ein viertes entführtes Flugzeug abgestürzt war.
Erst kurz vor Beginn der Gedenkfeiern sagte der evangelikale Prediger Terry Jones aus Florida endgültig Pläne für eine Koran-Verbrennung ab. Mit der Aktion wollte die Christengruppe Dove World Outreach Center mit etwa 30 Mitgliedern den Islam als eine "gewaltsame und repressive Religion" entlarven. Politiker, Geistliche aller großen Religionen, Militärs und Prominente im In- und Ausland hatten das Vorhaben scharf verurteilt. Allerdings verbrannten in Nashville im Bundesstaat Tennessee zwei andere evangelikale Prediger zwei Koran-Bücher.
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