Gedenken an das NSU-Opfer Süleyman Tasköprü: Kein Blick nach rechts
Vertreter von Migrantenorganisationen kritisieren die staatlichen Aufklärer der NSU-Morde - und sie fordern endlich Konsequenzen.
Ein Bild und viele Rosen. An der Schützenstraße 43–45 legten am Freitag Vertreter von türkischen Migrantenorganisationen, jüdischer Gemeinde und deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) zum Gedenken an das NSU-Opfer Süleyman Tasköprü Blumen nieder. Dort vor dem früheren Obst- und Gemüseladen hatten am 27. Juni 2001 die Mitglieder des NSU den 31-jährigen Familienvater durch drei Kopfschüsse hingerichtet. „Wir haben kein Vertrauen in die Aufklärungsarbeit“, sagt Gül Pinar, eine der Anwältin der Familie. „Wir sind empört, dass keine Empörung da ist.“
Am Tatort in Bahrenfeld richteten am Vormittag über 30 Organisationen eine Veranstaltung aus. Ein Jahr nach der Entdeckung des NSU-Trios ist die Erschütterung über die lange unerkannte Mordserie nicht kleiner geworden.
Im Gegenteil: „Nach der Aufdeckung sind die Sicherheitsstellen erstaunlich schnell zum Alltag übergegangen, die Aufregung ist abgefallen, der Ruf nach Konsequenzen abgeflaut“, sagte Kazim Abaci, Geschäftsführer des Vereins „Unternehmer ohne Grenzen“. Ein paar Personalspiele – mehr sei aber nicht passiert. „Die Morde haben zu keiner erhöhten Sensibilität, keinen neuen Prioritäten bei den Sicherheitskräften geführt“, sagt er.
Dass massiv gegen die Familie des Ermordeten ermittelt wurde, greift Uwe Grund, Vorsitzender des DGB Hamburg auf: „Diese Verdächtigungen haben das Leid unsäglich erhöht.“ Die Vernichtung von Akten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), das Verschweigen von Aktionen, sagen Hüseyin Yilmas, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Hamburg, und Philipp Strichaz, stellvertretender Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, hätten das Vertrauen in die Aufklärer nachhaltig erschüttert. „Alles läuft schleppend, teilweise verbunden mit Verhinderungen“, sagt Yilmas.
Im Juli dieses Jahres stellte die Familie Tasköprü Strafanzeige wegen Urkundenunterdrückung gegen das Bundesamt. „Bislang haben wir nicht einmal ein Aktenzeichen“, sagte Pinar. „Die Verdunklungsgefahr ist ein Haftgrund, mindestens eine Hausdurchsuchung wäre geboten gewesen“, so die Anwältin. Wenn die Politik eine wirkliche Aufklärung wollte, wäre das alles nicht möglich. „Wir verlassen uns nicht auf die staatlichen Stellen. Wir fordern rechtliche Konsequenzen wegen der Aktenvernichtung“, sagt Abaci.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hätte versprochen, dass die Behörden eine vollständige Aufklärung anstreben würden. Aber nur durch öffentlichen Druck würden die betroffenen Stellen Wissen und Akten preisgeben, so Abaci. Pinar sagte zu den damaligen Polizeiermittlungen nicht viel, außer: „Sie taten alles, aber sie schauten nicht nach rechts.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!