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Gedenke des Sabbattages, dassdu ihn heiligestIn welche Tempel wollen wir gehn?

Was aber werden wir am Sonntag tun? Schwierig, diese Frage, zumal wenn man bedenkt, unter welchem Erwartungsdruck dieser einstmals einzige, nun durch den Samstag entlastete freie Tag der Woche steht. Am Sonntag kann man mit seiner Süßen segeln gehen, man kann ausschlafen, sich den Kindern widmen, um Seen laufen, ein gutes Buch lesen, lange frühstücken – kurz: Am Sonntag stehen alle Verheißungen unserer Freizeitgesellschaft bereit.

Wobei nun allerdings ein gesellschaftlicher Konflikt quer dazu steht. Und zwar meinen die einen, dass man nun auch am Sonntag in die einen Tempel, die des Konsums nämlich, gehen können soll; und die Kirchen halten aus ihren anderen Tempeln heraus dagegen: „Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes.“ Klingt fremd in diesen vergnügungssüchtigen Zeiten, beinhaltet aber eine der fundamentalen Differenzierungen unserer Gesellschaft.

Glaubt man Religionssoziologen wie beispielsweise dem Klassiker Emile Durkheim, so ist die Differenz zwischen heiliger und profaner Zeit universal. Gab’s und gibt’s in allen Gesellschaftsformen, von den archaischen Clans bis hin zu unserer Moderne. Diese Teilung ist nach Durkheim eine der Grundformen des religiösen Lebens.

Der Clou allerdings liegt darin, dass der religiöse Inhalt dabei nur abgeleitet ist, zentral ist aber die Strukturierung der Zeit. Es muss, so Durkheim, in regelmäßigen Abständen heilige Zeiten geben, in denen die Gesellschaft sich selbst feiert, um das gemeinschaftliche Band zwischen den einzelnen Mitgliedern zu erneuern. Das sind die Zeiten der Kulte, der Feste und der Gottesdienste.

Nun kann aber niemand mehr behaupten, dass ausgerechnet die Gottesdienste die zentrale gesellschaftliche Institution am Sonntag spielen. Manche Theologen argumentieren in dieser für sie misslichen Lage recht gewievt, indem sie behaupten, alle Feste und Kulte seien irgendwie religiös, weil sie ja die Zeit strukturieren. In dieser Lesart hat sogar die „Tagesschau“ religiöse Untertöne, denn dass sie jeden Abend um 20 Uhr über die Glotze flimmert, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Für die kirchliche Heiligung des Sonntags aber ist diese Argumentation gefährlich. Denn wenn es immer irgendetwas gibt, was in einer Gesellschaft die Zeit strukturiert, dann muss es ja nicht unbedingt der Tag des Herrn sein. Hinzu kommt, bei allem Respekt vor den christlichen Wurzeln des abendländischen Denkens: Um zu begründen, dass man tatsächlich nicht alle Tage der Woche durcharbeiten muss, bedarf man der theologischen Semantik nicht mehr unbedingt.

Und in Zeiten der Arbeitslosigkeit kann man auch daran erinnern, dass tatsächlich nicht die freien Tage unsere Zeit strukturieren. Sondern die Arbeit, an der es vielen fehlt. Dirk Knipphals

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