Gedächtniskirche: "Ikone der Nachkriegsarchitektur"
Landeskonservator Jörg Haspel erklärt, warum die Gedächtniskirche unbedingt gerettet werden muss und welche anderen Bauwerke dringend zu sanieren sind.
taz: Herr Haspel, die Gedächtniskirche ist durch Witterungs- und Verkehrseinflüsse stark beschädigt und droht zu verfallen, wenn sie nicht bald saniert wird. Warum muss diese Kirche denn unbedingt erhalten bleiben?
Jörg Haspel: Die Gedächtniskirche ist eine Ikone der Nachkriegsarchitektur, eine Visitenkarte Westberlins. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie fast komplett zerstört, danach um die gesicherte Ruine als Mahnmal wiederaufgebaut. Die Gedächtniskirche ist nicht nur ein zeichenhaftes Mahnmal, sie symbolisiert auch die Zuversicht und die Hoffnung auf einen Neuanfang. All das hat die Kirche in der ganzen Welt berühmt gemacht - ein solches Gebäude darf einfach nicht verfallen.
Die Stiftung Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche hat eine Spendenaktion gestartet, bei der man für eine Fuge in der Kirchenfassade Geld spenden kann. Warum muss denn der Bürger für den Erhalt der Kirche aufkommen und nicht das Land Berlin?
Weil die Kirche der Stiftung gehört und weil die Kirchengemeinde weder allein noch mit der Stadt Berlin die Sanierung finanzieren kann. Dazu braucht es weitere Förderer und Spender aus der Bürgerschaft und von Berlinbesuchern. Der Eigentümer eines Gebäudes ist immer verantwortlich für dessen Sanierung und Instandhaltung, soweit es in seinen Kräften steht. Wenn der Eigentümer dies aber nicht finanzieren kann, müssen andere Möglichkeiten greifen.
Aber die Gedächtniskirche ist doch denkmalgeschützt. Ist das Landesdenkmalamt deshalb nicht verantwortlich?
Man könnte sagen: Die Kirchenstiftung und das Denkmalamt sitzen in einem Boot. Beide haben das Ziel, ein bedrohtes, sanierungsbedürftiges Denkmal zu retten und zu reparieren. Dabei kann die Stiftung Fördergelder beim Land beantragen, aber auch beim Bund, bei weiteren Stiftungen und anderen. Komplett finanziert Berlin in der Regel nur landeseigene Denkmale, also den Erhalt von Bau- und Kunstdenkmälern, die auch der Stadt gehören.
Hat das Landesdenkmalamt denn schon finanzielle Unterstützung zugesagt?
Im Prinzip ja. Wir haben unsere Mitwirkung signalisiert, aber noch keine konkreten Summen, weil wir gemeinsam noch ein Gesamtkonzept für die Sanierung brauchen und die entsprechenden Anträge gerade in Vorbereitung sind.
Welche bedeutenden Gebäude in der Stadt müssten außerdem saniert werden?
Da gibt es viele. Das Eierhäuschen mitten im Treptower Park zum Beispiel. Das Haus ist so verfallen, das es gar nicht mehr betreten werden kann. Es gibt Pläne, die historische Gaststätte wiederaufzubauen und neu zu eröffnen. Auch die Martin-Luther-Gedächtnis-Kirche in Mariendorf ist stark beschädigt und muss dringend saniert werden. Auch für die Siegessäule auf der Straße des 17. Juni steht über kurz oder lang eine Sanierung an.
Gibt es Prioritäten, nach denen die einen Gebäude sanierungsbedürftiger sind als die anderen?
Ja, zumindest in dem Sinne, dass Gebäude, die nicht nur stark gefährdet, sondern auch historisch besonders bedeutend sind, bei der Fördermittelvergabe eine höhere Priorität finden als andere. Ein gutes Beispiel dafür ist wieder einmal die Gedächtniskirche. Sie ist ein Kriegsmahnmal. Sie ist weltberühmt. Und sollte sie nicht bald überholt werden, könnten sogar Passanten durch herabfallende Steine gefährdet sein. Das alles macht sie zu einem Bauwerk in Berlin, das vordringlich einer Sanierung bedarf. Allerdings spielt auch immer der Eigentümer des jeweiligen Gebäudes eine Rolle. Sein Engagement ist mit entscheidend dafür, wie schnell und wie stark wir oder andere helfen können.
Wie beurteilen Sie die Idee, dass sich Bürger finanziell für den Erhalt der Gedächtniskirche einsetzen?
Da hat die Kirchenstiftung Großartiges geleistet. Durch die Spendenaktion wird auch deutlich, wie sehr den Berlinern ihre Gedächtniskirche am Herzen liegt. Schließlich sind es ja die Leute, die die Kirche tagein, tagaus besuchen. Dass sie daher zum Bestehen der Kirche beitragen dürfen, finde ich toll. INTERVIEW:
NORA GROSSE-HARMANN
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