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Gebt den Tisch zurück!

■ Mutmaßlich Besetzer aus der Mainzer Straße klauten Kommunetisch aus der taz / „Bestrafungsaktion“ wegen Berichterstattung eines Mitarbeiters

Kreuzberg. Gerade die haben ihn nicht verdient. Die 20 Rotzlöffel, mutmaßlich aus der Ostberliner Mainzer Straße, die gestern den Moment der Überrumpelung nutzten und einfach unseren großen Redaktionstisch mitgehen ließen, haben ihn am allerwenigsten verdient. Der Tisch hat der antiautoritären und linken Bewegung in den letzten 21 Jahren zehnmal mehr gedient als die West-Besetzer in ihrem Ostberliner Haus.

1969 war es das erste und bisher auch einzige Sozialistische Anwaltskollektiv Mahler-Eschen-Preuß -Ströbele, das unser 5,50 mal 1,50 Meter großes Schmuckstück für 800 Mark erstand. Hier wurden die Verteidigungsstrategien für die Angeklagten aus der Studentenbewegung entworfen. Doch weil der Tisch doch ein wenig zu groß war, wurde er den Genossen der legendären Kommune 2 und von dort aus an die nicht minder legendäre Kommune 1 übergeben. Später diente er der „Proletarischen Linken/Parteiinitiative“, den Spontis und der Roten Hilfe als Versammlungsplatz, bis er dann 1979 der taz übergeben wurde - von Leuten, die der Ansicht waren, daß die Zeitung der legitime Erbe der Studentenbewegung sei.

Aus Andeutungen der Besetzer konnten tazler entnehmen, daß der Raub in der Mainzer Straße organisiert wurde und so etwas wie eine „Bestrafungsaktion“ darstellen sollte. „Wegen Olaf Kampmann“, so hieß ihre knappe Begründung. Der - im Gegensatz zu den meisten Besetzern der Mainzer Straße aus der DDR stammende - taz-Mitarbeiter habe schlechte Artikel geschrieben und sich arrogant gegenüber ihnen verhalten. Kampmann hatte sich wiederholt kritisch über den Links -Imperialismus von West-Autonomen in der DDR geäußert.

Kurz zuvor war sogar noch eine Abordnung zweier Westler aus der Mainzer Straße in der Lokalredaktion erschienen, um „konstruktiv“ über die bisherige taz-Berichterstattung zu diskutieren. Sie als Mainzer Straße hätten sehr wohl Interesse an Berichterstattung und Öffentlichkeit.

Die könnt ihr euch abschminken, Genossen. Rückt den Tisch raus, sonst läuft gar nüscht mehr.

usche

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