Gebrauchtwarenladen vor dem Aus: Gnade für die Hütte
Die Stadtmission will ihren Gebrauchtwarenladen aufgeben. Anwohner wehren sich: Am Freitag wird wieder protestiert.
Der Gebrauchtwarenladen im nördlichen Prenzlauer Berg ist nicht schön, aber beliebt: Das niedrige Steingebäude steht zwischen zwei Wohnhäusern, von ein paar Büschen und Bäumen umgeben. Eine Markise - braun-orange gestreift - hängt schief über der Eingangstür. Gespendete Porzellantassen, Fernseher, Schuhe und Tische stehen herum und werden günstig angeboten. Die Stadtmission der Evangelischen Kirche betreibt das Traditionsgeschäft in der Malmöer Straße. Doch nicht mehr lange: Das Gelände soll veräußert werden. "Es werden Verkaufsgespräche geführt", bestätigt Ortrud Wohlwend, Sprecherin der Stadtmission, entsprechende Gerüchte im Viertel.
Einige Anwohner der Malmöer Straße wollen sich damit nicht abfinden. Am Dienstag dieser Woche trafen sie sich zu einer ersten "Mahnwache" vor dem Geschäft, das aus historischen Gründen auch als "Gnadenhütte" bekannt ist. Zehn Nachbarn sind gekommen. "Wir haben Angst, dass uns ein Betonklotz vor die Nase gestellt wird", sagt Antoine Pauli. Der 31-Jährige wohnt direkt gegenüber. Er hat einen Tisch auf dem Bürgersteig aufgebaut, eine gelbe Blume darauf gestellt, Flyer und eine Unterschriftenliste ausgelegt. "Ich habe so was noch nie gemacht", sagt er und lacht. Sogar die Facebookgruppe "Gnadenhütte" habe er gegründet. "Wir wollen, dass der Vorstand der Stadtmission mit uns über Alternativen zum Verkauf spricht", sagt Pauli.
"Sie sollen uns doch bitte ein Loch im Himmel lassen", sagt Maria Moch, die mit ihrer Familie ebenfalls im gegenüberliegenden Haus wohnt. "Es geht uns nicht nur um unsere persönliche Aussicht. Sondern darum, dass im Prenzlauer Berg fast alles mit teuren Wohnungen zugeknallt wird", erklärt sie. In den letzten Jahren seien immer mehr Luxuswohnungen im Viertel entstanden. Ähnliche Bedenken hat Anwohner Gerry Luchsinger. Er verstehe nicht, warum das Grundstück verkauft werde: "Das ist doch keine Firma, sondern die evangelische Kirche", sagt er und schüttelt den Kopf. Der Laden ist ein beliebter Treffpunkt. Eine Mitarbeiterin erklärt, sie könne die Anwohner verstehen. "Die Leute kommen gerne her und spenden viel", sagt sie. Wie es weitergehen soll, wisse sie nicht.
Der Standort Malmöer Straße werde aufgegeben, erklärt Sprecherin Wohlwend. Dafür solle in Kreuzberg ein neuer Laden entstehen. Das Gebäude in der Malmöer Straße sei zu klein und zudem eine alte Baracke aus dem Ersten Weltkrieg.
Allerdings eine Baracke mit Geschichte: Der Pfarrer Wilhelm Krause eröffnete dort 1925 eine Sozialstation. Sie wurde unter dem Namen "Gnadenhütte" bekannt. Arme bekamen hier Essen, die Leute trafen sich zu Vorträgen oder zum Beten. Die Stadtmission Berlin-Brandenburg übernahm die Gnadenhütte 1951, seit 16 Jahren beherbergt sie den Gebrauchtwarenladen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“