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Gebrauchtwarenladen vor dem AusGnade für die Hütte

Die Stadtmission will ihren Gebrauchtwarenladen aufgeben. Anwohner wehren sich: Am Freitag wird wieder protestiert.

Die Kleiderkammern der Stadtmission bieten Bedürftigen Garderobe - der Gebrauchwarenladen auch anderes. Bild: dpa, Florian Schuh

Der Gebrauchtwarenladen im nördlichen Prenzlauer Berg ist nicht schön, aber beliebt: Das niedrige Steingebäude steht zwischen zwei Wohnhäusern, von ein paar Büschen und Bäumen umgeben. Eine Markise - braun-orange gestreift - hängt schief über der Eingangstür. Gespendete Porzellantassen, Fernseher, Schuhe und Tische stehen herum und werden günstig angeboten. Die Stadtmission der Evangelischen Kirche betreibt das Traditionsgeschäft in der Malmöer Straße. Doch nicht mehr lange: Das Gelände soll veräußert werden. "Es werden Verkaufsgespräche geführt", bestätigt Ortrud Wohlwend, Sprecherin der Stadtmission, entsprechende Gerüchte im Viertel.

Einige Anwohner der Malmöer Straße wollen sich damit nicht abfinden. Am Dienstag dieser Woche trafen sie sich zu einer ersten "Mahnwache" vor dem Geschäft, das aus historischen Gründen auch als "Gnadenhütte" bekannt ist. Zehn Nachbarn sind gekommen. "Wir haben Angst, dass uns ein Betonklotz vor die Nase gestellt wird", sagt Antoine Pauli. Der 31-Jährige wohnt direkt gegenüber. Er hat einen Tisch auf dem Bürgersteig aufgebaut, eine gelbe Blume darauf gestellt, Flyer und eine Unterschriftenliste ausgelegt. "Ich habe so was noch nie gemacht", sagt er und lacht. Sogar die Facebookgruppe "Gnadenhütte" habe er gegründet. "Wir wollen, dass der Vorstand der Stadtmission mit uns über Alternativen zum Verkauf spricht", sagt Pauli.

"Sie sollen uns doch bitte ein Loch im Himmel lassen", sagt Maria Moch, die mit ihrer Familie ebenfalls im gegenüberliegenden Haus wohnt. "Es geht uns nicht nur um unsere persönliche Aussicht. Sondern darum, dass im Prenzlauer Berg fast alles mit teuren Wohnungen zugeknallt wird", erklärt sie. In den letzten Jahren seien immer mehr Luxuswohnungen im Viertel entstanden. Ähnliche Bedenken hat Anwohner Gerry Luchsinger. Er verstehe nicht, warum das Grundstück verkauft werde: "Das ist doch keine Firma, sondern die evangelische Kirche", sagt er und schüttelt den Kopf. Der Laden ist ein beliebter Treffpunkt. Eine Mitarbeiterin erklärt, sie könne die Anwohner verstehen. "Die Leute kommen gerne her und spenden viel", sagt sie. Wie es weitergehen soll, wisse sie nicht.

Der Standort Malmöer Straße werde aufgegeben, erklärt Sprecherin Wohlwend. Dafür solle in Kreuzberg ein neuer Laden entstehen. Das Gebäude in der Malmöer Straße sei zu klein und zudem eine alte Baracke aus dem Ersten Weltkrieg.

Allerdings eine Baracke mit Geschichte: Der Pfarrer Wilhelm Krause eröffnete dort 1925 eine Sozialstation. Sie wurde unter dem Namen "Gnadenhütte" bekannt. Arme bekamen hier Essen, die Leute trafen sich zu Vorträgen oder zum Beten. Die Stadtmission Berlin-Brandenburg übernahm die Gnadenhütte 1951, seit 16 Jahren beherbergt sie den Gebrauchtwarenladen.

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3 Kommentare

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  • AP
    Antoine Pauli

    Ohne Ihnen die schattige Sicht nehmen zu wollen Frau Krause: Ein "Arbeitssitz" in New York wäre sicher spannend, ist aber fern jeder Realität. Und unsere verpassten Kaufchancen beziehen sich auf das Montagsangebot von Aldi. Meine Grüße in Ihre Parallelwelt.

  • AK
    Anita Krause

    Ich als Anwohnerin kann die Aufregung um die "Gnadenhütte" überhaupt nicht verstehen. Als Ort der Zusammenkunft habe ich das nie gesehen - eine baufällige Hütte auf dem schattigsten Grundstück der Stadt. Aber gut, jedem Tierchen sein Plaisierchen.

    Mir erscheint es eher so, als seien die zugezogenen Herren Pauli und Sawade (Arbeitssitz in New York) eher betrübt über die verpasste Kaufchance...

  • S
    Sozialfuzzi

    Die Berliner Stadtmission ist so heilig wie die Treberhilfe. Nach außen hui, nach innen pfui.

    In der Lehrter Straße sitzen sie auf einem mittlerweile Goldareal, in direkter Nähe zu Kanzleramt und Hauptbahnhof. Die Notübernachtung ist geblieben, damit kann schön Werbung gemacht werden, die Krankenstation war zu unrentabel, dass sie hätte überleben dürfen. Der Geschäftsführer, jahrelang auch Vorstand, alle haben es gewusst, keiner etwas gesagt. Dass interne Geschäfte möglich sind, ein Schelm wer dabei böses denkt. In Wedding beteiligen sich gleich zwei Einrichtungen an der Bürgerplattform, im Prenzlauer Berg tritt man als Spekulant auf.

    So läufts in der Berliner Sozialmafia, so richtig wundern tut das doch schon lange nicht mehr.

    Wagt es endlich, euren Verstand zu gebrauchen: Kirchen ist höchstens das Geld heilig. Alles andere ist bigotte Naivität.