: Gebarschelte Spuren in Genf
■ Stern: „Kaschierter Selbstmord“ / Legte Barschel in Genf selbst falsche Spuren? / SPD aus Bremen dementiert frühe Kontakte zum Informanten Pfeiffer
Berlin (dpa/taz) - „Wallraffen“ ist auch nach dem Karl–Kraus– Preis an Wallraff im Schwedischen ein geflügeltes Wort für erschlichene Informationen - nach den Veröffentlichungen der letzten Notizen von Uwe Barschel im gestern erschienenen Stern könnte es sein, daß auch „barscheln“ bald zum festen Begriff wird: für das Legen von falschen Spuren und verdeckten Selbstmord. Die von den Reportern im Hotelzimmer fotografierten Aufzeichnungen lassen erhebliche Zweifel an der Existenz des Informanten aufkommen, der mal „Robert Ro(h)loff“, mal „R.R.“ genannt wird: „Bestieg Taxi, fuhr ein paarmal um den Flughafen und traf dann R.R. Er erkannte mich sofort. Gespräch dauerte ca. 20 Mi. Spaziergang in Flughafennähe“, notierte Barschel. Die Genfer Polizei hat dazu mitgeteilt, daß es unmöglich sei, den Flugplatz unauffällig zu umrunden, da man dafür nach Frankreich hinein und wieder zurück in die Schweiz müsse, wobei einer der Grenzübergänge für Taxis gesperrt sei. Der von der Illustrierten Quick entdeckte Taxifahrer wurde inzwischen vernommen, kann sich jedoch an Barschel nicht mit Sicherheit erinnern. Was Barschels Phantombeschreibung des Informanten R.R. betrifft - „Ca. 178 Zentimeter, kein Bart, dunkelblonde Haare, sportlich, Jeans und eine Popelinejacke“ - hat Bild am Sonntag die Super–Spürnase Werner Mauss ins Spiel gebracht: Fortsetzung auf Seite 2 Ein Polizeibeamter gab dem Blatt gegenüber an, mit Mauss mehrmals dienstlich nach Genf gereist zu sein, dabei sei dieser stets unter dem Tarnnamen Roloff aufgetreten. Weiterhin habe Mauss mit dem Medienreferenten Pfeiffer früher einmal Kontakt gehabt. „Treffen mit R.R. hat geklappt. Tatsächlich. Er hat mir viel erzählt.“ schrieb Barschel. Was er erzählt hat, bleibt im Dunkeln. Dort also, wo noch viele Details dieser Affäre ihrer Enthüllung harren: Woher der Sand an Barschels Schuhen, wohin verschwand die Weinflasche? Nach Angabe des Stern, der in erhöhter Auflage schon gestern erschien, soll der Medienreferent Pfeiffer schon im Frühjahr dieses Jahres Kontakt zu Engholm ge sucht haben. Dazu habe er den ihm von früher bekannten Bremer Finanzsenator Claus Grobecker kontaktiert, der dann in einem Brief an Engholm vor Pfeiffer gewarnt habe. Grobecker hat dies dementiert: „Die Meldung ist falsch, einen solchen Brief gibt es nicht.“ Der SPD–Parteirat in Bonn hat den schleswig–holsteinischen Spitzenkandidaten am Montag „mit großem Beifall“ begrüßt und sich „solidarisch“ mit Engholm gezeigt. Engholm räumte den Fehler ein, die Kontakte mit Pfeiffer erst „nach Zögern“ bekanntgegeben zu haben. Dennoch war man sich bei den SPD–Oberen darüber einig, daß wegen dieses Fehlers nicht von den „Machenschaften“ der CDU abgelenkt werden dürfe. Die Pressestelle der Genfer Polizei darf mittlerweile überhaupt nicht mehr über den Stand der Ermittlungen in Sachen Barschel berichten.
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