Gauck über Uli Hoeneß: Steuerhinterziehung ist asozial
Joachim Gauck hat sich mit scharfen Worten in die Debatte um Steuerhinterziehung eingeschaltet. Uli Hoeneß erzählt hingegen, wie alles anfing: Er war klamm.
BERLIN dpa | Bundespräsident Joachim Gauck hat sich mit ungewöhnlich scharfen Worten in die Debatte über Steuerhinterziehung eingeschaltet. „Wer Steuern hinterzieht, verhält sich verantwortungslos oder gar asozial“, sagte er dem Magazin Stern.
Mit Blick auf den Präsidenten von Bayern München, Uli Hoeneß, stellte Gauck in dem am Mittwoch verbreiteten Interview klar: „In unserem Land darf es in rechtlichen und moralischen Fragen nicht zweierlei Standards geben, einen für die Starken und einen für die Schwachen. Niemand darf selbst entscheiden, ob er Steuern zahlt oder nicht.“
Gauck plädierte dafür, grundsätzlich darüber nachzudenken, „ob nicht auch strengere Gesetze nötig sind, die aus einer fragwürdigen Handlung einen Straftatbestand “. Was sich keineswegs ausbreiten dürfe, sei das Gefühl: Wer nicht trickst, ist selbst schuld. „Dieses Gefühl gefährdet unsere Demokratie.“
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier schätzt die Chancen für eine von Regierung und Opposition gemeinsam getragene Initiative zur Strafverschärfung gering ein. Die strafbefreiende Selbstanzeige werde auf Dauer keinen Bestand haben, sagte der SPD-Politiker den Dortmunder Ruhr Nachrichten (Dienstag).
Gegen Straffreiheit per Selbstanzeige
SPD und Grüne plädieren für höhere Hürden bei der Straffreiheit per Selbstanzeige beziehungsweise eine Begrenzung auf Bagatellfälle nach einer Übergangszeit. Kanzlerin Angela Merkel hatte zu Beginn der Woche angeregt, eine Unions-Arbeitsgruppe prüfen zu lassen, ob die erst 2011 geänderten Regeln zur Straffreiheit bei Selbstanzeige abermals verschärft werden sollten.
Steinmeier kritisierte den Vorstoß als wenig überzeugend. „Erst tut die Bundesregierung vier Jahre lang alles, um Steuersündern Anonymität über das Schweizer Steuerabkommen zu garantieren, und jetzt lässt sie auf einmal Verschärfungen prüfen. Da kann ich doch nur lachen!“, sagte er. „Diese Regierung hat vier Jahre lang nichts auf die Reihe gekriegt, und sie wird bis zur Bundestagswahl nichts mehr hinbekommen.“
DGB-Chef Michael Sommer sagte auf der zentralen Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Tag der Arbeit in München, es könne nicht sein, „dass unser Gemeinwesen fast ausschließlich von den Lohnsteuerzahlern und Konsumenten finanziert wird, während sich die Reichen und Schönen einen schlanken Fuß “. Für viele sei Steuerflucht kein Verbrechen, sondern ein „Reichensport“.
Zum Fall Hoeneß sagte der Bundespräsident, dass dieser Steuern hinterzogen hat, sei für ihn eine „Überraschung“ gewesen. Er erschrecke jedes Mal, „wenn Sympathieträger stürzen, weil sie irgendwie verstrickt sind. Eigentlich ist es mehr als ein Schreck – ich ärgere mich.“ Gauck betonte: „Ich finde es nicht unmoralisch, reich zu sein. Ich finde es unmoralisch, unmoralisch reich zu sein.“
Ein Gespräch mit der Kanzlerin
Hoehnes selbst äußerte sich ebenfalls in einem Interview mit der Zeit zu den Vorwürfen und gab sich reumütig: „Ich würde mir wünschen, dass ich irgendwann die Gelegenheit bekäme, der Bundeskanzlerin in einem persönlichen Gespräch zu erklären, wie es so weit kommen konnte, der ganze Mist.“
Zudem erzählt er in dem Interview von seiner Zockervergangenheit und wie es zu dem Konto in der Schweiz kam: „Mal 50.000 Dollar, das war es. Das wurde heftiger, als alle an der Börse spielten, zur Zeit der großen Internetblase. Als diese Blase dann platzte, fuhr ich schwere Verluste ein, ich war da richtig klamm. Das war der Moment, als Dreyfus mir anbot, lass uns was zusammen machen, er würde es finanzieren. So kamen die Millionen auf das Konto, es war immer klar, das war ein Konto zum Zocken, für nichts anderes.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um Neuwahlen
Inhaltsleeres Termingerangel
Ausschreitungen in Amsterdam
Ein hitziges Nachspiel
Linkspartei nominiert Spitzenduo
Hauptsache vor der „asozialen FDP“
Obergrenze für Imbissbuden
Kein Döner ist illegal
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?
Überwachtes Einkaufen in Hamburg
Abgescannt