Gasvorkommen in Gorleben: Vorsicht, leicht entflammbar!

In der Nähe des Salzstocks gibt es Gase, die sich durch die heißen Müllbehälter entzünden könnten. Diese Gefahr ist seit den Achtzigerjahren bekannt, wurde aber vertuscht.

Irgendwie riecht's hier nach....Gas. Bild: dpa

"Explosionsgefahr", "Risse im Salz", "Wassereinbrüche" - die Begriffe, die der Kieler Geologe Ulrich Schneider am Dienstag nennt, passen schlecht zu einem Ort, in dem über Jahrtausende strahlender Atommüll gelagert werden soll. Doch Schneider ist in den Akten zum Atommülllager Gorleben auf, so sagt er, "brisante" Funde gestoßen. Peu à peu durchforstet er sie zusammen mit Mathias Edler von Greenpeace.

In Dokumenten der "Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe" haben sie Hinweise gefunden wie "Schachtvorbohrung Go 5001" - "das austretende Gas war brennbar". 1982 machten Bergleute zwei Vorbohrungen zu den heutigen Schächten des geplanten Endlagers nahe Gorleben; dabei stießen sie auf Gas. Die Mannschaft bekam das Leck nur schwer in Griff. Auch bei weiteren Bohrungen fanden sie Gas. Schneider sagt: "Das hat - ebenso wie Wasser - in einem Endlager für radioaktive Abfälle nichts zu suchen."

Zwar seien die Gase ungefährlich "solange der Salzstock ein Salzstock bleibt". Die Lage ändere sich aber, wenn Behälter mit radioaktivem Müll in der Nähe lagerten. Denn diese entwickelten an ihrer Oberfläche eine Temperatur von bis zu 200 Grad Celsius. Das Gas dehne sich bei einer solchen Wärme aus, der Druck im Salzstock steige, es entstünden Haarrisse, Klüfte. Durch das poröse Gestein könne Wasser einsickern, Atomfässer korrodierten, die radioaktiven Substanzen würden austreten.

Ganz neu ist das alles zwar nicht. Schon in den Achtzigerjahren haben die Fachleute diskutiert, dass sich unter dem Salzstock, in 3.500 Meter Tiefe, Gas befindet. Als 1969 eine Mannschaft im DDR-Teil des Salzstocks Gorleben-Rambow dort nach Gasvorkommen bohrte, war es zu einer Explosion gekommen, ein Bohrturm soll dabei in die Luft geflogen sein. Erstmals haben Schneider und Ederer nun aber nachvollzogen, auf welche Weise die Gasfunde verharmlost wurden: "Sie wurden zunehmend verschleiert - je höher die politische Ebene war."

So diskutierten beim "33. Jour fixe Salzstockerkundung Gorleben" im November 1982 Fachleute des Bundesinnenministeriums und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, wie es in Gorleben vorangehen sollte. Im Protokoll steht, das Bergamt Celle habe gewarnt, tiefer zu bohren, da bei "Antreffen von Gas […] eine Zementierung des Bohrlochs sehr schwierig werden kann und eine Abdichtung kaum möglich" sei. Im Dezember hob die Bundesanstalt in einem Schreiben an den Bundesinnenminister dennoch "die erfolgreiche geologische Arbeit" hervor.

1983 legte die Bundesanstalt dann den "Zwischenbericht über bisherige Ergebnisse der Standortuntersuchungen in Gorleben" vor. Diesen zog die damalige Kohl-Regierung heran, um die Erkundung in Gorleben zu starten. In diesem Bericht findet sich kein Wort über die Gasexplosion drüben in der DDR. Zu den Gasfunden im niedersächsischen Teil heißt es, es handele sich um isolierte Gase aus organischen Prozessen innerhalb des Salzes.

Das stimmt nicht, sagt Schneider. Die Chemie der Gase im Salzstock sei genau wie die der Gase, die zur Explosion in der DDR geführt hätten. Also kämen sie aus den Gasvorkommen unter dem Salzstock. Der Salzstock sei durchlässig, garantiere keine "Langzeitsicherheit". Jeder Euro, der in die weitere Erkundung gesteckt werde, sei verschwendet.

So schnell wird die Regierung Gorleben aber nicht aufgeben. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) ließ mitteilen, "die Frage möglicher Gasvorkommen" könne "nur durch praktische Erkundung geklärt werden". Das ihm unterstellte Bundesamt für Strahlenschutz erklärte: "Gasvorkommen sind von sicherheitstechnischer Bedeutung", sagte ein Sprecher der taz. Sie müssten "systematisch erfasst und bewertet" werden. Der Umfang der Untersuchungen werde in der "vorläufigen Sicherheitsanalyse" festgelegt. Dabei wird das vom Grünen Wolfram König geleitete Bundesamt allerdings nicht mitreden dürfen; den Auftrag für die Analyse hat Röttgen an die atomfreundlichere Gesellschaft für Reaktorsicherheit vergeben. Verantwortlich für das zentrale Gutachten ist Bruno Thomauske, ehemaliger Atom-Chef beim Energiekonzern Vattenfall.

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