Gastkommentar: Raffinierte Inkompetenz
■ H.W. Franke zum Vulkan-Debakel
Eine gehörige Portion Naivität ist schon nötig, um darüber zu staunen, daß seinerzeit ein Staatsbediensteter an die Spitze des Vulkans gestellt wurde. Erinnern wir uns: Als Krupp damals in der heißesten Phase des Bürgerschaftswahlkampfes die AG-Weser, in die viele Modernisierungsmillionen gesteckt worden waren, dem Senat für eine Mark anbot und der dankend ablehnte, lieferte auch der Vulkan kein Schiff mehr kostendeckend ab. Und im Vergleich zur AG-Weser war die Bremen-Norder Werft eine vorsintflutliche Grobschmiede, die nach riesigen Investitionen schrie. Niemand hatte damals den Mut, auch noch die nächste Großwerft der AG-Weser hinterher zu schicken.
Kein Privater übernahm das Risiko für Bremens Werften. Entweder war Schluß oder der Staat stieg ein. Daß schließlich der Senatsdirektor Wirtschaft bei den Werften das Kommando unmittelbar übernahm, war nur folgerichtig, und nur Greenhorns können sich darüber wundern oder gar entrüsten. Für den Untersuchungssausschuß wird es erst danach spannend. Hennemanns Auftrag war, den Vulkan in den Stand zu setzen, wieder kostendeckend am Markt zu arbeiten. Solange regierte über die Hibeg der Staat beim Vulkan. Und wenn der wieder flott war, mußten die Aktien mit Kußhand genommen werden. Daß die dann später wirklich Käufer fanden, ist bis heute bestaunenswert, denn flott wurde der Vulkan offensichtlich nie.
Zu welchem Zweck und Ende, so fragen wir uns heute, ist eine veraltete Großwerft künstlich am Leben gehalten worden? Was dachte sich der Aufsichtsrat dabei, was das Dreiergestirn Finanzverwaltung, Wirtschaftsverwaltung und Rathaus, die mit dem Vulkan kurzgeschlossen gewesen sein sollen und die alle Namen haben, als nichts geschah, um die Produktivität der Werft auf Weltniveau zu bringen? Wie konnte eine marode Werft zum Nukleus eines neuen Wirtschaftsimperiums werden, das bei den ganz Großen nicht nur der Republik, sondern weltweit mitmischen wollte? Drei Milliarden Mark an Verbindlichkeiten hat das Monopoly gekostet, das Verwaltung, Politik und Wirtschaft über Jahre wohl zum eigenen Lustgewinn spielten.Am Anfang, als die Schockwellen vom Ende der AG Weser die Stadt erschütterten, ging es wohl um Zeitgewinn und um Arbeitsplätze. Doch als nach vielen Jahren und vielen hundert Millionen der Vulkan noch immer die alte konkurrenzunfähige Werft geblieben war, da mußte es doch manchem dämmern, daß man so nicht Arbeitsplätze rettet. Schließlich hat Hennemann noch in dem letzten Abschnitt seines Wirkens öffentlich viel neues Geld für die bis dahin ausgebliebenen Modernisierungsinvestitionen gefordert und mit dem Desaster gedroht. Da war der Offenbarungseid geleistet. Allein die Geschichte der Sanierungskonzepte für die Werften, die oft angemahnt, oft angekündigt, dann gutachterlich verworfen, dann neu erstellt würde und doch nur Schall und Rauch geblieben signalisiert überdeutlich die Ratlosigkeit aller Beteiligten.
Wer wird diese Verquickung von Inkompetenz und Raffinesse aufdröseln? Wer klären, ob Sorge für das Allgemeinwohl in eigene Vorteilsnahme umgeschlagen ist? So viele Fragen, so viele Antworten. Und sich damit herauszuwinden, Hennemann macht's möglich, geht nicht. Was aber machte das alles möglich? Horst-Werner Franke, Senator a.d.
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