■ Gastkommentar: Zwei-Klassen-Diplomatie
Der Regierende läßt wenige Gelegenheiten aus, die Internationalität Berlins hervorzuheben. So auch am Sonntag, als Zwischenbilanz gezogen wurde über die Umzugsplanungen diplomatischer Vertretungen von Bonn nach Berlin. Stolz wurde auf die Botschaftsneubauten am Pariser Platz und im zukünftigen Regierungsviertel verwiesen. Mittlerweile verfügten 47 von 183 Staaten, mit denen die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen pflegt, über eine Residenz an der Spree. 67 weitere Vertretungen würden zeitgleich mit der Bundesregierung umziehen. Allgemeines Schulterklopfen. Welch ein Erfolg für Berlin – und seine Internationalität!
Doch das kann man auch anders sehen: Immerhin 69 Staaten werden die Umzugsliste nicht zieren. Die meisten von ihnen, weil sie sich weder den Umzug noch die höheren Unterhaltungskosten von Botschaften in Berlin finanziell leisten können. Die Lösung der Bundesregierung – und nun auch des Senats – für die Schwierigkeiten der zumeist afrikanischen und südasiatischen Staaten steht fest: Sollen sie halt in Bonn bleiben!
Billigend nehmen Senat und Bundesregierung in Kauf, daß eine Zwei-Klassen-Diplomatie entsteht: Vermögende Staaten werden da untergebracht, wo die Musik hauptstädtisch spielt, andere müssen am Katzentisch in Bonn Platz nehmen.
Ein solches Diplomatiekonzept ist fatal: Im Zeitalter zunehmender Nord-Süd-Interdependenzen müssen gerade die Stimmen aus dem Süden endlich ernster genommen, auf dem kurzen diplomatischen Wege hörbarer werden. Die selbstzufriedene Auslagerung ist genau das falsche entwicklungspolitische und auch berlinpolitische Zeichen. Anselm Lange
Der Autor ist Mitglied der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus
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