■ Gastkommentar: Nazi-Altlasten
Nun hat das Oberverwaltungsgericht endlich entschieden. Fast ein Jahr hat es sich für dieses „Schnellverfahren“ Zeit gelassen. Die Umbenennung der Linden- in Springerstraße wurde dagegen in nur zwei Monaten durchgezogen. Aber jetzt darf der Name der Charlottenburger Reichssportfeldstraße in Flatowallee geändert werden. Die Umbenennung war schon lange überfällig, nicht erst, seit sich 1993 die „Flatow-Initiative“ gegründet hatte. In den östlichen Bezirken sind seit 1990 nahezu 100 Straßen umbenannt worden. Dagegen findet man in den West-Bezirken noch zahlreiche Nazi-Altlasten. Eine Rosa- Luxemburg-Brücke über den Landwehrkanal darf es nicht geben. Im Mai 1996 hat die Wilmersdorfer CDU die schon 1990 beschlossene, aber immer noch nicht umgesetzte Umbenennung des Seebergsteigs in Walter-Benjamin-Straße gekippt. Im Tempelhofer Fliegerviertel prangen noch die Kriegshelden auf Straßenschildern, und in Spandau hat im August 1996 eine CDU/SPD-Mehrheit entschieden, daß die Kinkelstraße nicht in Jüdenstraße rückbenannt werden soll. Steglitz hat den Hindenburgdamm vorzuweisen – neben zahlreichen Militärs, die die Nazis dort wie auch in anderen (westlichen) Stadtteilen auf die Schilder gebracht haben. Wenn es um Altkommunisten wie Clara Zetkin, Dimitroff oder Beimler ging, war die CDU fix dabei. Bei Nationalsozialisten oder ihren Wegbereitern und Helden gelten offensichtlich andere Maßstäbe: nämlich Toleranz und Rücksichtnahme. Jürgen Karwelat
Der Autor ist bündnisgrüner Abgeordneter in Wilmersdorf und Mitarbeiter der Geschichtswerkstatt
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