■ Gastkommentar: Wie ein Bankrotteur
„Entweder ihr macht mit, oder Ihr seid tot!“– unter dem Eindruck dieser Drohung ihres Rektors hat sich der Akademische Senat der Hochschule Bremnen dem Plan gefügt, die Fachhochschule in eine halb-private, internationale Schein-Universität zu verwandeln. Auf diese Weise soll Geld ins Land kommen: Mit hohen Studiengebühren sollen die reichen der aufstrebenden Tigerländer die Diplome bezahlen, die ihre Kinder in Bremen erwerben. Das mag eine Weile gutgehen – so lange, bis der gute Ruf eines deutschen Universitätsabschlusses aufgezehrt ist.
Nun sieht man ja ein, daß sich die Hochschule Bremen etwas Neues ausdenken muß. Sie leidet unter einem dramatischen Schwund an Studenten. Aber ausgerechnet der einzige Fachbereich, der prosperiert – der für Sozialwesen – ist der erste, der zugunsten der sogenannten Reformuni ausgeplündert wird.
„Entweder Ihr macht mit, oder Ihr seid tot!“– unter dieser Parole hat man schon vor fünfzehn Jahren die Professoren des Fachbereichs Sozialwesen eingeschüchtert. Sie wurden aufgefordert, ihre fruchtlose Arbeit einzustellen und sich der Wirtschaft anzudienen: statt Sozialarbeitern sollten Reisebegleiter und Animateure eine marktkräftige Ausbildung erhalten. Man erhoffte sich davon den Zufluß von Drittmitteln. Von der Öffentlichkeit unbemerkt, erließ die Bürgerschaft den Beschluß, die Sozialarbeiterausbildung nach und nach aufzulösen.
Der Grund war damals nicht die mangelnde Nachfrage nach Studienplätzen. Damals wie heute gab es im Fachbereich Sozialwesen auf jeden Studienplatz sechs Bewerber. Aber er war unter dem Sozialsenator Henning Scherf einer gnadenlosen Diffamierung ausgesetzt, in der er als Produzent von überflüssigen, lahmarschigen, linken Sozialfuzzis hingestellt wurde.
Diese Behauptung wird inzwischen nicht mehr aufrechterhalten. Aber der Studiengang stirbt. Ohne daß damit die erhofften Drittmittel eingegangen wären, sind viele Professoren der Sozialarbeit ausgewichen; soweit sie ihr noch die Stange halten, führen sie eine mißachtete Existenz. Von ehemals vierzig, sind noch zwanzig am Werke, und auch auf ihr – möglichst vorzeitiges – Ausscheiden wird nervös gewartet. Nach dem Prinzip „Zehn kleine Negerlein“dünnt der Studiengang von innen her aus, waährend sich vor seiner Tür die Studenten drängen. man versperrt ihnen den Zugang zugunsten der korrupten Eliten der Dritten Welt.
Globalisierung – wie will man sich ihren Problemen stellen, wenn man keine Sozialarbeiter hat? Bremen hat sein soziales Profil aufgegeben und benimmt sich wie ein Bankrotteur, der sich in verzweifelte Abenteuer stürzt. Sibylle Tönnies Hochschullehrerin an der Hochschule Bremen
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