■ Gastkolumne: Teerhof? Dämlichkeit!
Vieles Falsche wächst sich aus, geht erst die Zeit über die Fehler der Politik hinweg. Doch manchmal konservieren Beton und Ziegel politische Dummheit auf ewig. Bremens Denkmal für politische Dämlichkeit ist der Teerhof. Aus der entsetzlichen Kriegswunde einer von Bomben plattgemachten Weserinsel inmitten der Stadt war dem Senat eine einmalige städtebauliche Chance zugefallen: Die große Flußinsel mitten zwischen Neustadt und Altstadt konnte eine Vitalitätszone werden, durch die die immer noch spürbare historische Trennlinie zwischen den städtischen Uferregionen links und rechts der Weser ein für allemal überwunden und vom Leibnitzplatz bis zum Wall ein urbanes Kraftfeld geschaffen werden konnte.
Dieses städtebauliche Sahnestück setzte der Kreativität kühner Stadtplaner keine Grenzen. Andere Großstädte hatten vorgemacht, wie weit ins Land ausstrahlende Urbanität hergestellt werden kann. Köln, Frankfurt, Stuttgart haben in ihren Innenstädten umgeben von attraktiven Kaufzentren kulturelle Reizzonen geschaffen und lassen das Publikum zwischen Warentempeln und höchst lebendigem kulturellen Entertainment hin und her strömen. Daß Bremens Innenstadt auch so ein Besuchermagnet sein müßte, konnten damals selbst schlichte Gemüter wissen, die es in die Politik verschlagen hatte. Die Chance war also da, mit der Teerhofbebauung eine in deutschland einmalige urbane Flußlandschaft entstehen zu lassen. Wo gab es das sonst, eine Altstadt mit einzigartigen historischen Bauwerken dicht an den Fluß gedrängt, attraktive Uferpartien, eine Neustadt, die sich im Uferbereich kulturell mauserte und mittendrin die bebauungsreife leere Flußinsel!
Der heutige Teerhof ist das steingewordene Abbild der Jämmerlichkeit Bremer Politik. Natürlich gab es Vorschläge für eine kulturelle Bebauung. Als Kaffee-Schilling die Weserburg aufgab und sie billig an die Stadt fiel, war der kulturelle Nukleus da: Ein modernes Sammlermuseum sollte her, wie es bis dahin in Deutschland nicht existierte. Erfahrungsgemäß sind aber Musen für zeitgenössische Kunst nur attraktiv, wenn sie nicht isoliert existieren, sondern mit Kontrastmuseen verkoppelt werden. Bremens Focke-Museum ist ein sehr reizvolles historisches Museeum, das aber unter seiner Randlage leidet und niemals an den innerstädtischen Besucherströmen partizipieren kann, außerdem baulich schlecht dran ist. Es brauchte also einen mit der Weserburg verkoppelten Neubau auf dem Teerhof. Bremens freie Theatergruppen gehörten damals zu den besten der Republik. Für sie mußte eine Spielstätte auf den Teerhof. Um dieses Zentrum hätten sich Läden, Werkstätten, Kneipen, Ateliers, Galerien etc. entwickelt, wie wir es andern Orts sehen, ein paar extravagante Wohnungen dazu.
Daß sich heute eine öde Yuppieschlafstadt ausbreitet und abends Leere gähnt, wo urbanes Leben pulsieren sollte, ist Ausfluß Bremer Besonderheit. Natürlich mischen Baulobbyisten in allen Großstädten mit. Wir kennen schließlich den Spruch, wonach jede Bauverwaltung korrupt sei. In Bremen war es aber wohl mehr eigenes Gestaltungsunvermögen. Dem stadtprägenden Mittelmaß fällt nichts ein. Der Kultursenator wurde schließlich mit dem Argument gekauft, er bekäme sein bislang entschieden abgelehntes Sammlermuseum Weserburg und eine Option für das Focke-Museum im ehemaligen Fernmeldeamt der Post in der Langenstraße gleich neben dem Schütting. Die Teerhoflobby sei außerdem bereit, ein Drittel des Areals für kulturelle Zwecke herzurichten. Das brachte auch den Beirat Neustadt auf die Bretter. Es gibt noch einen Zettel aus der Entscheidungsschlacht, auf den der Kultursenator den Preis für seine Kapitulation notiert hat.
Natürlich sind wir alle angeschissen worden. Das kulturelle Drittel ist nie gekommen. Das Focke-Museum dümpelt am Stadtrand weiter vor sich hin, der Teerhof ist städtebaulich tot wie eine Müllhalde gehobenen Bedarfs. Einzig die Baulobby konnte kräftig absahnen. Was jetzt als Schlußmaßnahme beim Teerhof rauskommt, ist Totenschmuck und hilft keinem. Bei allem Zorn wollen wir nicht lästerlich sein und uns etwa eine neue Plattmache für den Teerhof wünschen. Das Schandmal bleibt.
Horst-Werner Franke,
( betroffener ) Kultursenator a.D.
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