Gasnetz: Justizsenator: Vergabe rechtswidrig
Der Berliner Justizsenator Heilmann zweifelt Auswahlverfahren an. Entscheidung über eine Übernahme des Netzes auf Drängen der CDU verschoben. Unterlegene Gasag will klagen.
Im Streit über die Zukunft des Gasnetzes verhärten sich die Fronten in der rot-schwarzen Koalition. Justizsenator Thomas Heilmann soll im CDU-Landesvorstand jüngst große Zweifel am Vergabeverfahren von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, SPD-nah) geäußert haben. „Das sieht rechtswidrig aus“, sagte Heilmann nach Teilnehmerangaben. Er selbst bestätigte diese Äußerung nicht, dementierte aber auch nicht. Die von Nußbaum zum gestrigen Dienstag angekündigte Entscheidung über eine Übernahme des Gasnetzes verschob der Senat auf CDU-Drängen.
Nußbaum hatte vor zwei Wochen bekannt gegeben, dass die landeseigene Berlin Energie das Ende 2012 begonnene Konzessionsverfahren gewonnen habe. Sie bekam in einem Punktsystem 311 von 315 möglichen Punkten, der bisherige Netzbetreiber Gasag als letzter verbliebener Mitbewerber nur 299. Damit Berlin Energie neuer Betreiber wird, müssen noch Senat und Parlament zustimmen. CDU-Generalsekretär Kai Wegner aber sprach schnell von „großer Unsicherheit“ und „vielen offenen Fragen“ und stellte die von Nußbaum angekündigte Senatsberatung binnen 14 Tagen infrage.
Dabei blieb Wegner auch am gestrigen Dienstag. „Herr Nußbaum muss ganz transparent machen, dass er die Bewerbungen auf ihre Plausibilität hin überprüft hat“, sagte er der taz. In der CDU legt man nahe, dass nicht alle Angaben, die Berlin Energie machte, nachvollziehbar seien.
Umstritten ist neben dem Punkteverfahren eine Klausel, die verhindern soll, dass die Gas-Konzession bei einem Eigentümerwechsel im Unternehmen in andere Hände gerät. Bei dieser „change of control“-Klausel hatte Berlin Energie dem Land laut Nußbaum mehr Zugeständnisse gemacht, etwa ein Sonderkündigungsrecht, und deshalb klar besser abgeschnitten. Das Bundeskartellamt aber, das Berlin bei dem Verfahren nach eigenen Angaben „informatische Hilfe“ leistete, will im Dezember 2013 über diese Klausel gestolpert sein. „Wir haben darauf hingewiesen, dass sie problematisch sein könnte“, sagte Amtssprecher Kay Weidner der taz.
Senatskanzleichef Björn Böhning (SPD) kündigte an, über die Angelegenheit werde die rot-schwarze Landesregierung bei ihrer nächsten Sitzung kommenden Dienstag entschieden. So definitiv das Böhning auch hinstellte, so wenig sicher gilt das bei der CDU. In Senatskreisen schließe man zwar nicht aus, dass das Thema auf die Tagesordnung komme, hieß es, doch eine Entscheidung müsse das nicht bedeuten. Die Gasag wiederum, die bereits angedeutet hatte, gerichtlich gegen die Vergabe vorzugehen, kündigte am Dienstag konkret eine Klage an.
SPD-Energieexperte Daniel Buchholz kann sich die CDU-Kritik nur so erklären, dass die Union, grundsätzlich keine Freundin von Verstaatlichung, keinen Erfolg der Berlin Energie erwartet hatte und nur deshalb im Koalitionsvertrag der von der SPD angestoßenen Bewerbung zustimmte. Dass das Unternehmen keine plausiblen Angaben machte, kann er sich nicht vorstellen: „Die Punkte im Verfahren gab es ja nicht für blaue Augen, sondern für begründete Darlegungen.“
Die Senatsfinanzverwaltung als Vergabestelle selbst verweist auf ihre Veröffentlichungen zu allen Verfahrensschritten im Internet. „Transparenter kann man das nicht gestalten“, ist von Nußbaum-Sprecherin Kathrin Bierwirth zu hören. Zur Kritik an Punktsystem und Bewertung sagte sie: „Da die Gasag jetzt klagt, wird ja ein Gericht das Verfahren prüfen.“
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